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Ibbenbürens > Die Geschichte der Honigfabrik |
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"Zeitzeugen berichten aus der Zeit von 1930 bis 1960"
Wir haben verschiedene Berichte von Zeitzeugen aus der Zeit von
1930 bis 1960 zusammengestellt. Der Umfang
macht eine Veröffentlichung an dieser Stelle aber nicht möglich.
Am Computer in der kleinen Bücherei im Stadt-
museum können alle Berichte aufgerufen werden.
Ibbenbüren im Nationalsozialismus. Eine Stadt erinnert sich -
Materialsammlung von 6 Aktenordnern
im Stadtmuseum - Die Materialsammlung
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Die Unternehmerfamilie Wolff - Der König von Ibbenbüren |
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Ein fast vergessenes
Wirtschaftskapitel in Ibbenbüren ist die Zeit der Unternehmerfamilie Wolff. Um
1850 entstand aus ganz kleinen Anfängen auf dem Dickenberg ein bedeutendes Wirtschaftsimperium,
welches um die Jahrhundertwende bereits wieder zusammengebrochen war. Um 1720
kam Johann Wilhelm Wolff als Bergmann aus dem thüringischen Schmalkalden und bereits
1750 hatte er als Königlicher Bedienter und Kohlenmesser auf der Zeche Dickenberg
so viel Geld, das er den späteren Hof Brockmann bauen konnte. |
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- Friedrich Wolffs Dampfmühle - | |
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Im gleichen Jahr kam
sein Sohn Johann Heinrich zur Welt. Dann entstand auf dem Hof eine Ausspanne für
Pferde und ein Wirtshaus für durstige Kehlen. Sein Sohn trat in seine Fußstapfen.
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Friedrich Wolff und sein
Bruder Heinrich, die Wölfe, legten um 1850 den Grundstein für mehrere Betriebe
in Ibbenbüren mit später über 1000 Beschäftigten. Sie bauten eine Glashütte
in Sichtweite der Werthmühle und nannten sie Glasfabrik, das klang fortschrittlicher.
Sie bauten Häuser mit 52 Wohnungen für die dort beschäftigten Arbeiter. |
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Auf der Zeche Dickenberg
trieben seine Pferde den Göpel an, um die Kohle aus dem Schacht zu heben.
Um 1812 betrieb die Familie mehrere Steinbrüche und handelte mit Pferden. Um 1835
verkauften die beiden Brüder den Hof an Heinrich Knüppe und ließen sich in der
Stadt nieder. Friedrich baute sich die weiße Villa an der Münsterstraße -heute
Bergschneider- und Heinrich kaufte die Villa des Bürgermeisters Sporleder - heute
die Caritas an der Klosterstr. Es war ein prächtiges klassizistisches Gebäude
mit ausladender Freitreppe. Die 13 großen Fenster zur Straße hatten kleine Butzenscheiben,
vor dem Haus standen vier Linden, zu einem Laubendach verflochten Friedrich fuhr
mit dem 4-spännigen Pferdefuhrwerk regelmäßig nach Emden und verkaufte Glas im
Hafen und kaufte dort kanadischen Weizen. Den ließ er in der Werthmühle mahlen,
die er gepachtet hatte. In Lingen hatte er eine Pferdewechsel-Station. |
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1857 errichteten sie eine
Dampfmühle mit einem Sägewerk in der Klosterstraße, die heutige Honigfabrik. Außerdem
besaß Friedrich Kalköfen und mehrere Steinbrüche mit Anschluss an den Bahnhof
durch zwei Feldbahnen. Als die Eisenbahn gebaut wurde, lieferte die Firma Wolff
die Bruchsteine für den Unterbau. Am Güterbahnhof besorgte Friedrich Wolff den
Rangierbetrieb und den Kohlentransport vom Ibbenbürener Förderstollen, insgesamt
hatte er für seine Betriebe einen Fuhrpark von 80 Pferden. Neben der Dampfmühle
stand die Hufschmiede und die Schmiede für Eisenteile. Heinrich Wolff leitete
den kaufmännischen Teil, während Friedrich die organisatorische Führung hatte.
Obwohl sie um die Jahrhundertwende ein Wirtschaftsimperium begründetet hatten,
wollten sie ihre bäuerliche Herkunft nicht leugnen, denn sie sprachen nur plattdeutsch.
Der Stein mit der Jahreszahl 1857 ist über der hohen Tür der Honigfabrik
an der Klosterstraße noch heute erhalten. Er bezieht sich auf die erste Dampfmühle
an dieser Stelle. Firmenchef Friedrich wurde respektvoll als " König von Ibbenbüren
" bezeichnet. Er war sehr groß und hatte ein Rückenleiden. Ursache war, das sein
Vater ihm in jungen Jahren mit einem Holzknüppel in seinem Jähzorn so heftig auf
den Rücken geschlagen hatte, das er bleibende Schäden davongetragen hatte. Man
nannte man ihn daher auch "De Stiefe".
Lageplan der Dampfmühle
und des Sägewerks 1888 in der Klosterstraße >>> |
Lageplan - 3. Januar 1888 |
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Mit prachtvollen Landauern,
von Braunen gezogen, fuhren die beiden "Wölffe" durch die Stadt. Die Werksfahne
der Glasfabrik zierte über dem Werkzeug der Glasmacher eine Königskrone. Einmal
im Jahr wurde das Hüttenfest gefeiert, dann marschierte der Fahnenträger stolz
an der Spitze des Umzugs. Der Wahlspruch auf der Fahne lautete "Fleiß und Geschick
bringt Segen und Glück". In der Dampfmühle wurde nicht nur Getreide gemahlen,
sondern auch Korn geröstet. Daraus entstand der Malzkaffee "Muckefuck", in Anlehnung
an das französische "Mocca faux", also falscher Kaffee. |
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Stein mit der Jahreszahl - 1857 | Hohe
Tür der Honigfabrik | Werksfahne
von 1889 mit der Königskrone |
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1888 geschah ein großes
Unglück, von dem der Tischler Stockmann bei einem Küerabend dem Heimatverein erzählte.
Das Protokoll ist leider nicht mehr aufzufinden, doch Herr Mönninghoff konnte
davon noch einiges erzählen. Bei der Getreideröstung brannte die Dampfmühle ab.
Friedrich Wolff kaufte oder pachtete darauf die Windmühle Brenninkmeyer-Berensmeyer
an der Ledder Str. 13, - heute Rechtsanwalt Scheuer-. Er brachte das angebrannte
Röstkorn zur Windmühle, wo es noch tagelang glimmte und stank. Das Mehlgetreide
wurde nun in der Windmühle gemahlen. Bald begann der Neuaufbau der Dampfmühle
in der Klosterstraße, aber ohne die früher vorhandene Sägemühle. Das Gebäude wurde
zu beiden Seiten breiter und wohl ganz neu errichtet, denn im heutigen Gebäude
zeigten sich beim Umbau keinerlei Brandspuren. Letztlich ist die Baugeschichte
des jetzigen Hauses aber nicht restlos geklärt. Kaum war die neue Dampfmühle fertig,
starb 1896 der Unternehmer Friedrich Wolff und der Mühlenbetrieb ging ein Jahr
später in Konkurs, ebenso kurze Zeit später die Glasfabrik. Die Steinbrüche erwarb
Friedrich Braunschweig. Anna Alfing war Köchin bei Heinrich und Sophie
Wolff. In ihrem Gesindebuch wurde ihr bescheinigt, daß sie ihre Arbeit in jeder
Weise zur Zufriedenheit von Frau Wolff verrichtet hatte. Eines Abends kam ihr
Verlobter erst gegen 11 Uhr am Abend, um sie in ihrem Zimmer über dem Haupteingang
zu besuchen. Er zog an der Stange, die mit der großen Glocke über der Tür verbunden
war. Im letzten Moment konnte Anna die Glocke mit der Hand ergreifen, um das Klingeln
zu dämpfen. Die vornehme Familie Wolff durfte so spät nicht mehr gestört werden.
Er durfte aber auch nicht zu seiner geliebten Anna. Die weiße Villa von Friedrich
Wolff an der Münsterstraße war jedoch nicht mehr zu halten, sie wurde an Albert
Bergschneider verkauft. |
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Vor
dem Brand von 1888 Links das Wohnhaus von Heinrich Wolff, noch mit der
alten Freitreppe. | Friedrich
Wolffs Villa (Münsterstraße 28) 1907 Verkauf an Bergschneider
| Nach
dem Brand von 1888 Das Wohnhaus von Heinrich Wolff hat nun ein anderes
Dach und andere Freitreppe |
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Hermann Gössmann hatte
seinerzeit auf dem Oberen Markt im Haus Elfers einen Handel für Mehl, Getreide,
Futtermittel und Kunstdünger und im gleichen Haus auf der Rückseite den beliebten
Gasthof Bärenstall. Er kaufte 1907 die Dampfmühle, muste aber drei Jahre später
den Mühlenbetrieb einstellen, weil die Technik veraltet und eine Renovierung zu
kostspielig war. Daher beschränkte er sich auf sein früheres Tätigkeitsfeld, den
Handel mit Getreide und Futtermitteln. |
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Die Schmiede auf dem Gelände
der heutigen AOK wurde abgebrochen, nachdem die evangelische Stadtschule -Blaue
Ecke- fertig geworden war. Der Sohn von Hermann Gössmann war übrigens Präsident
des Deutschen Fußballbundes, wie auf einer Bronzetafel auf dem Oberen Markt zu
lesen ist. Mit dem Tod von Heinrich Wolff endete die Ära der Wölfe kurz vor dem
Ersten Weltkrieg. Um die Soldaten mit Nahrungsmitteln zu versorgen, wurden Lebensmittelpakete
an die Front geschickt. Zu Beginn des Krieges begann man deshalb mit der Produktion
von Kunsthonig in einem Raum des Gebäudes. Er bestand aus Rohr- und Rübenzucker
unter Beigabe von Magermilch und Löwenzahn, versehen mit Farb- und Aromastoffen.
Über Bezugsscheine wurde auch an die hiesige Bevölkerung Kunsthonig in geringem
Maß ausgegeben. Nach den spärlichen Hinweisen aus dieser Zeit schmeckte er nicht
besonders gut, die Frauen klagten über die große Hitze während der Arbeit, die
Kittelschürzen waren immer ganz verklebt vom Honigkleister. Sie nannten ihren
Arbeitsplatz die "Honigbude". Den Ibbenbürenern war der Name Honigfabrik noch
bis etwa 1930 geläufig, für die meisten hieß das Gebäude jedoch Wolff´s Dampfmühle.
Unterlagen in Archiven sind bisher nicht gefunden worden, so das nur vermutet
werden kann, das es die Firma Gössmann war, die hier Kunsthonig produzierte. Bis
1955 konnte man noch Kunsthonig kaufen, heute ist das Produkt mit dem Namen "Kunsthonig"
nicht mehr auf dem Markt. Jedoch gibt es das identische Produkt unter dem Handelsnamen
"Wibine" noch heute als Backzutat. Der Name klingt nach "wie die Biene". 1922
kauft das Finanzamt das Haus des Heinrich Wolff in der Klosterstraße und erweitert
ein Jahr später den Altbau von 7 auf 11 Fensterachsen nach links. Die Tür wird
in den Neubau verlegt, so wie sie noch heute ist. Die alte Tür und die Freitreppe
werden beseitigt. Schon 1928 kaufte die Edeka die benachbarte alte Dampfmühle
und richtete hier ihr Zentrallager für Lebensmittel ein. Vielen ist der Begriff
die alte "Edeka" geläufig. Von der Edeka mietete der Getränkehandel Alfing & Schowe
die Kellerräume. Dort standen die Abfüllanlagen für Spirituosen und Wein. Der
erste Geschäftsführer der Edeka war Hans Bunsiek, er hatte noch nicht den Vorteil,
in diesem Hause eine eigene Wohnung zu haben, wie sein späterer Nachfolger Fritz
Trebbe. Für den kleinen Hermann Driemeier und seine Nachbarn von der Blauen Ecke
war der Hof der Edeka ihr Spielplatz. Die großen Eisentore hatten viele kleine
Scheiben als Oberlicht. Die Kinder machten sich einen Spaß daraus, diese Scheiben
einzuwerfen. Dabei wurden sie von Herrn Bunsiek erwischt. Als Vater Driemeier
von diesem Treiben seines Sohns erfuhr, bekam der kleine Hermann eine Tracht Prügel. |
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Verbotsschild
vom Maschinenraum des kleinen Aufzugs von 1953 |
Große Außen-Klingel im
Obergeschoss - Nordseite |
Handgeschmiedete Krampe aus der Schmiede Wolff. Verklammerung
des Balken- und Ständerwerks. |
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Inzwischen war das Mühlengebäude
für die Lagerung der Lebensmittel zu klein. Daher erfolgte 1934 der eingeschossige
Anbau auf der Nordseite mit einer Laderampe an der Zufahrt zum Hof, das Lagerhaus.
Im Krieg bekam das Gebäude auf der Seite zur Klosterstraße einen Artillerietreffer.
Die Nachbarskinder von der Gartenstraße und der Südstraße zwängten sich durch
das kleine Loch in der Wand. Im Lager stopften sie sich die Hosentaschen voll
mit Karamell-Bonbons. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs standen bei der Edeka alle
Türen offen und die Bevölkerung hatte sich zum Teil mit Zucker, Öl, Mehl, Käse
und Margarine eingedeckt. Auch die russischen Fremdarbeiter, die bei Bergschneider
in der Gartenstraße arbeiteten und wohnten, holten sich Lebensmittel. Um weitere
Plünderungen von Lebensmitteln zu verhindern, wurde das Haus durch Engländer bewacht.
Eine Ibbenbürenerin stellte sich den Bewachern mutig in den Weg und
forderte Zutritt, weil sie verzweifelt war und nichts mehr zu essen hatte. Sie
ließ sich auch durch Verbot nicht aufhalten und ging ins Gebäude. Ein Engländer
schoss daraufhin in die Luft, sie ließ sich aber nicht beeindrucken. Mit ihrer
Beute, einem Laib Käse, rannte sie zur Marktstraße nach Hause. Dort angekommen,
musste sie enttäuscht feststellen, das sie eine Käselaib-Attrappe erbeutet hatte.
1949 wurden die alten Gebäude auf der Hofseite umgebaut und aufgestockt. Oben
entstand die Wohnung des Edeka-Geschäftsführers Fritz Trebbe mit dem Zwischenbalkon,
unten waren Garagen u. Lagerräume. Der mächtige quadratische Sandsteinkamin hinter
der Mühle, der sich nach oben verjüngte, wurde im Zuge dieser Baumaßnahme abgetragen.
Das Lagerhaus auf der Nordseite wurde aufgestockt und mit tragfähigen Stahlbetondecken
versehen und erhielt kurz darauf einen kleinen Lastenaufzug. Später übernahm der
Makler Bosse die Wohnung von Fritz Trebbe. Die Edeka war gegen Einbruch besonders
gesichert. Sollte eine Tür aufgebrochen werden, machte die große Klingel außen
am Fenster an der Nordseite einen Höllenlärm und rief die Wach- und Schließgesellschaft
herbei. |
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Betriebsfeier der Edeka | Die
"Kaffee-Nähmaschine" | AFA-Möbelmusterlager
Hartwig |
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Ab 1955 hieß es " In der
Luft liegt Kaffeeduft". Es wurde Kaffee der Marke "IBBONA Hanseaten-Mischung"
bei der Edeka geröstet. Fritz Trebbe bediente die Probat-Rösttrommel persönlich.
Bei etwa 250 Grad verströmten die Bohnen ihren aromatischen Geruch. Nach der Abkühlung
wurden die Bohnen in der Verlesemaschine sortiert. Sie hatte einen Tretantrieb
und die Frauen, die sie bedienten, nannten sie die Kaffee-Nähmaschine". Während
die Füße das Sortierband mit der Tretplatte antrieben, fielen die Bohnen aus dem
Trichter auf das Band, die guten fielen in den Kaffeesack und die "Stinkbohnen"
wurden beidhändig aussortiert. Heute gibt es nur noch ganz wenige kleine Röstereien,
u.a. die Traditionsfirma Finkener in Lengerich. Der Frischdienstwagen belieferte
die einzelnen Edeka-Filialen im Kreis Tecklenburg mit Kaffee und anderen Produkten
aus dem Lager. Es fehlte dringend ein großer Lastenaufzug in dem 4-geschossigen
Altbau, der dann endlich 1959 zentral im Gebäude durch die Firma Max Schumacher
eingebaut wurde. 7 Jahre später verließ die Edeka Ibbenbüren. Noch heute
treffen sich die alten Edekaner regelmäßig und erzählen von alten Zeiten. Nach
dem Auszug machte Amtmann Bernhardt den Vorschlag, den maroden Altbau an der Klosterstraße
abzubrechen. Dazu kam es jedoch nicht. Es fand sich 1966 ein neuer Nutzer, der
11 Jahre dort blieb, die Firma AFA-Möbel Hartwig mit ihrem Möbelmusterlager und
immerhin1 Jahr lang produzierte die Firma Gerhardi Kunststoffteile für Autos an
der Spritzgussmaschine. Schließlich wurde das Gebäude an die Caritas verkauft,
wie auch das Nachbargebäude, das ehemalige Finanzamt. Lange Jahre war die Dampfmühle
Wohngebäude für Asylbewerber, bis der Kunstverein sein Interesse anmeldete. Auf
die Folgenutzung bis heute möchte ich nicht mehr eingehen, weil sie hinreichend
bekannt ist. Die Dampfmühle Wolff erhielt den Namen Alte Honigfabrik, das soll
an den Kunsthonig und die Kunst erinnern. Vortrag von Werner Suer
2007 in der Alten Honigfabrik |
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Der Kohlenmesser
hatte die Kohlen zu wiegen und das Geld dafür an den Bergbauunternehmer abzuliefern.
* Göpel-
Antriebsmaschine, hauptsächlich im Bergbau, meist angetrieben von Pferden
die ein Seil auf eine Welle
wickeln an der ein Fördergefäß hängt. * Ausspanne
weist auf ein Haus/Gasthaus mit der Möglichkeit zum Ausspannen der Pferde aus
den Fuhrwagen und
Kutschen hin, also auf die Übernachtung der Reisenden und das Unterstellen der
Tiere im Stall. * Dampfmühle - Mühle mit stationärer Dampfmaschine.
* Kunsthonig
ist die alte Bezeichnung für Invertzuckercreme. Er wurde in früheren Zeiten als
Ersatz für Honig
verwendet. Der industriell hergestellte Invertzucker wird durch Anreicherung von
Stärkezucker oder Stärkesirup
zu einer Creme weiterverarbeitet. * Probat-Rösttrommel - Probat ist ein Hersteller
von Geräten zur Verarbeitung von Roh- zu Röstkaffee seit 1868 |
| Zur
Geschichte der "Alten Honigfabrik" - Wolff's Dampfmühle
Autor - Werner Suer Hrsg. Caritas Ibbenbüren 1. Auflage, August 2009
24 Seiten, Brosch. Caritasverband Tecklenburger Land e.V. - Klosterstraße
19 - 49477 Ibbenbüren http://www.caritas-ibbenbueren.de/56662.html
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Die Honigfabrik - Eine Chronologie von Werner Suer | |
| Wolffs Honigfabrik - Im Volksmund
"Wolff`s Dampfmüöllken" genannt | |
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Ibbenbüren um 1888 - Die Häuser Klosterstraße
19 und 21 |
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1710 - wurde Johann Wilhelm Wolff geboren. (um 1710)
1750 - kam er (Johann. Wilhelm Wolff) aus dem thüringischen Schmalkalden
nach Ibbenbüren.
Er war Kohlenmesser auf der Zeche Dickenberg. 1750 - baute er den
Hof Brockman, später eine Ausspanne. 1750 - wurde Johann Heinrich
Wolff geboren. (um 1750) 1750 - Johann Wilhelm Wolff erbaute den Hof
Wolff auf dem Dickenberg. 1806 - heiratete Johann Heinrich Wolff Maria
Agnes Mutert 1807 - Joh. Heinrich förderte auf der Zeche Dickenberg
Kohle, mit seinen Pferden trieb er den Göpel an. 1810 - Das Haus Klosterstr.
19 (Caritas) wurde durch Bürgermeister Sporleder erbaut 1837 - Wolff
kaufte Wiesen an der Werthmühle für den Sandabbau. 1840 - Friedrich
Wolff wohnte bis 1907 in der Münsterstr. 28. (heute Bergschneider-Villa) 1840
- Heinrich Wolff kaufte das Haus Klosterstr. 19, ehemal. Haus des Bürgermeisters
Sporleder, später Finanzamt. 1856 - Friedrich brachte mit Pferdefuhrwerk
Glaswaren zum Hafen Emden, zurück brachte er kanadischen Weizen.
(In Lingen hatte er eine eigene Pferdewechsel-Station eingerichtet) 1856
- Eröffnung des Bahnhofs in Ibbenbüren. Wolffs Steinbrüche hatten nun
eine Verbindung per Feldbahn an den
Ibbenbürener Bahnhof. 1858 - Fuhrunternehmen u. Rangierbetrieb
Wolff am Bahnhof. 1858 - Betrieb der Dampfmühle mit Sägewerk an der
Klosterstraße. 1863 - Friedrich Wolff wurde Schützenkönig
1875 - Bau der Glasfabrik an der Werthmühle. 1888 - Bei
der Getreide-Röstung waren die Dampfmühle und das Sägewerk abgebrannt.
(Wolff produzierte aus geröstetem Getreide Kaffee 1888 - Wiederaufbau
ohne Sägmühle. Die Dampfmühle wurde nach Norden u. Süden breiter. Vermutlich wurde
die
Mühle von Grund auf neu gebaut. Die neue Sägemühle wurde an der Glashütte (Ringstraße)
erbaut 1888 - Planung u. Genehmigung der Kesselanlage, 1896
- Friedrich Wolff gestorben. 1896 - Wiederaufbau und Vergrößerung (ohne
Sägewerk) durch Wolff. 1897 - Konkurs der Dampfmühle 1900
- Schließung der Glasfabrik 1906 - Wilhelm Wolff gestorben. 1907
- Albert Bergschneider kaufte das Haus Friedrich Wolffs an der Münsterstraße.
1907 - Hermann Gösmann kaufte die Dampfmühle von Friedrich Wolff. 1910
- Dampfmühlen-Betrieb eingestellt 1915 - Heinrich Wolff stirbt mit
80 Jahren. 1915 - Produktion von Kunsthonig (Gösmann) in einem kleinen
Teil des Gebäudes. 1915 -1919 1920 - Finanzamt mietete von Heinrich
Wolff das Haus Klosterstr. 19 1922 - Finanzamt kaufte das Haus von
H. Wolff 1923 - Altbau Wolff - Finanzamt wurde erweitert von 7 auf
11 Achsen 1938 - Erweiterung Finanzamt nach Osten 1928
- Edeka-Zentrallager bis 1966 1928 - Alfing u. Schowe, Getränkeabfüllung
u. Getränkehandel. 1928 - 1956 1934 - Abbruch u. Neubau, Anbau links
1937 - Anbau an das Finanzamt nach Osten 1938 - Finanzamt wurde
wieder erweitert 1945 - Plünderung bei der Edeka 1948 -
Lagerraum Alfing wurde Garage für Edeka und Alfing 1950 - Lager (NO
Seite) wurde aufgestockt, Einbau von Stahlebetondecken. 1953 - Finanzamt
wurde nach Osten erweitert 1955 - Rösterei Ibbona-Kaffee 1959
- Einbau eines großen Aufzugs im Altbau durch Fa. Max Schumacher 1966
- Auszug der Edeka 1966 - Die Firma Gerhardi produzierte Autoteile
(Kunststoffpresse) von 1966 bis 1967 1966 - Möbel Musterlager Hartwig,
AFA-Möbel von 1966 bis ca.1977 1977 - Auszug der Firma Hartwig
1977 - Verkauf des Hauses Klosterstr. 21 (ehem. Dampfmühle) von Rechtsanwalt
A. Garmann an die Caritas. 1977 - Das Haus Klosterstr. 19 (Finanzamt)
wurde auch an die Caritas verkauft. 2005 - Kunsthaus Alte Honigfabrik
2007 - Einzug der Familienbildungsstätte mit Hospizverein |
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Ibbenbüren im April 2008 - Die Häuser
Klosterstraße 19 und 21
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Presseberichte zum Thema - Geschichte
der Honigfabrik |
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Auch als Rösterei für "Muckefuck" hergehalten
- IVZ vom Freitag, 14. September 2007 |
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Auch als Rösterei für
"Muckefuck" hergehalten IVZ vom Freitag, 14. September 2007 - Von Wilm
Froese, Ibbenbüren. Ein ungemein spannendes Kapitel aus der Industriegeschichte
Ibbenbürens schlug Werner Suer am Mittwoch Abend genau an dem Ort auf, um den
es ihm ging, in der "Alten Honigfabrik" an der Klosterstraße. Staunend hörten
die zahlreichen Besucher, was dies Haus seit seiner Errichtung im Jahr 1857 an
unterschiedlichen Gewerben beherbergt hat. | |
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Werner Suer erzähltei
n der Alten Honigfabrik von der wechselvollen Geschicke des Hauses und seiner
Erbauer Foto IVZ - Wim Froese |
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Gebaut als Dampfmühle
mit Sägewerk und einer Schmiede, diente es gleichzeitig oder nacheinander als
Rösterei für "Muckefuck", als Futtermittelhandel, für 20 Jahre tatsächlich als
Kunsthonigfabrik, dann wieder als Lebensmittellager, Rösterei für richtigen Kaffee,
Spirituosenabfüllung und schließlich als Möbellager, bis es die Caritas der heutige
Besitzer, kaufte und seine Zeit als Gewerbestandort beendete. Suer verwob die
Geschicke des Gebäudes mit der Geschichte seiner Erbauer, mit dem Aufstieg und
Fall der Fabrikantenfamilie Wolff, deren bedeutendstes Mitglied, Friedrich Wolff,
sich gern als "König von Ibbenbüren" bezeichnen ließ. Die Familie Wolff war Anfang
des 18. Jahrhunderts aus dem Bergbaurevier im thüringischen Schmalkalden nach
Ibbenbüren gekommen und hatten dort einen Bauernhof mit Ausspann-Gaststätte betrieben.
Aber sie betätigten sich auch im Kohlebergbau, als königlicher Wiegemeister oder
als Betreiber eines Fördergöpels. |
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Knapp 150 Jahre später
zog es die auch durch den Betrieb von Kalk- und Sandsteinbrüchen sowie einen gut
gehenden Fuhrbetrieb zu Wohlstand gekommenen Brüder Heinrich und Friedrich Wolff
"in die Stadt". An der Ring- und Bogenstraße entstand ihre Glasfabrik mit 52 Arbeiterwohnungen,
von denen man einige noch an der Münsterstraße erkennen kann. Sie pachteten zunächst
die Werthmühle zum Mahlen ihres Importweizens, den sie mit eigenen Fuhrwerken
aus Emden holten. 1857 dann entstand an der Kanalstraße im klassizistischen Stil
eine eigene Dampfmühle, eben die "Honigfabrik". Auch ein Sägewerk trieb diese
Mühle an, deren zur Oststraße hin angebauten Maschinen- und Kesselgebäude mit
dem freistehenden viereckigen Schornstein ebenso wenig noch zu sehen sind wie
die Schmiede. Insgesamt beschäftigten die Wolffs etwa doppelt so viele Arbeitskräfte
wie Ibbenbürens Bergbau zu ihrer Zeit. Der "König von Ibbenbüren" krönte denn
auch auf einer Fahne seinen Wahlspruch "Fleiß und Geschick bringen Wohlstand und
Glück" tatsächlich mit einer Königskrone. |
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Seit dem Deutsch-Französischen
Krieg brannten die Wolffs in der Dampfmühle Getreide zu "falschem Mocca", mocca
faux, auf Deutsch Muckefuck. Von nun an ging es bergab. 1888 brannte die Dampfmühle
durch die Rösterei ab, wurde aber wieder aufgebaut und an jeder Giebelseite verbreitert.
Die alten Brandmauern scheinen in heutigen Gebäude noch erhalten. Das Sägewerk
aber wurde eingestellt. Seit 1991 stockte der Absatz der Glaswaren, sieben Jahre
später stürzte das Dach ein. Um die Jahrhundertwende sterben die Wolffs ohne fähige
Erben und erleben so nicht mehr mit, wie Rudolf Bertram aus Osnabrück in ihrer
ehemaligen Mühle nun aus Rohr- und Rübenzucker mit Löwenzahn und anderen Geschmacksverstärkern
den Kunsthonig produziert, der wegen des Wortbestandteils "Kunst" der Alten Honigfabrik
als Kunsthaus ihren neuen Namen gab. Damals war es die "Honigbude", wo unter schlechten
Arbeitsbedingungen ein wenig wohlschmeckender Brotaufstrich gefertigt wurde. |
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Werner Suer, der viel
Beifall für seinen interessanten Vortrag und seine akribische Forschungsarbeit
erntete, wird die ganze Geschichte bis hin zur Zeit als Lager der Edeka und als
Möbelhaus der Ibbenbürener Firma Hartwig in einer Monographie darstellen und alle
Daten und Dokumente und dazugehörigen Bilder in einer CD veröffentlichen. Wer
sich für diesen bemerkenswerten Ausschnitt Ibbenbürener Historie interessiert,
sollte beide Veröffentlichungen unbedingt spätestens bis zum 21. 9. bei der Caritas
im Gebäude neben der Honigfabrik, übrigens der alten Villa von Heinrich Wolff,
bestellen. Der Erlös wird komplett als Spende weitergereicht.
Quelle: IVZ vom Freitag, 14. September 2007 - Wilm Froese
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| Die Alte Honigfabrik in Ibbenbüren legt
als Bauwerk Zeugnis ab von einem Wirtschaftsimperium, welches einst in der
Bergmannstadt entstand, zu Beginn des 20. Jahrhunderts aber niederging. Heimatforscher
Werner Suer hat für mittendrin die Geschichte von Unternehmen und Gebäude
nachgezeichnet. Er zeigt auf: Eigentlich trägt die Alte Honigfabrik ihren
heutigen Namen zu Unrecht. |
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Ein heute fast vergessenes
Kapitel regionaler Wirtschaftsgeschichte ist die Zeit der Ibbenbürener Unternehmerfamilie
Wolff. Um das Jahr 1850 entstand aus ganz kleinen Anfängen ein Wirtschaftsimperium,
welches allerdings um die Jahrhundertwende bereits wieder zusammengebrochen war.
Eines der erhalten gebliebenen baulichen Zeugnisse des Wolffschen Schaffens ist
die Alte Honigfabrik im Stadtzentrum Ibbenbürens – ein Gebäude, in welches in
der letzten Zeit neues Leben eingekehrt ist: Neben einer Möbelrampe und einer
Suppenküche beheimatet der imposante, schmucke und beinahe ein Übermaß an Geschichte
atmende Bau den Ibbenbürener Kunstverein, einen Hospizverein sowie die Räumlichkeiten
der Familienbildungsstätte Ibbenbüren. Um 1720 kam Johann Wilhelm Wolff
aus Schmalkalden zur Kohlenzeche Dickenberg. Im Thüringer Wald war er bis dato
als Bergmann im Erzbergbau beschäftigt gewesen. Bereits 1750 hatte Wolff als Königlicher
Bedienter und Kohlenmesser auf der Zeche Dickenberg so viel Geld, dass er einen
Hof bauen konnte. Im selben Jahr kam sein Sohn Johann Heinrich zur Welt. Danach
entstanden auf dem Hof eine Ausspanne für Pferde sowie ein Wirtshaus für durstige
Kehlen. Johann Heinrich Wolff trat in die Fußstapfen seines Vaters. Auf der Zeche
Dickenberg trieben seine Pferde den Göpel an, um die Kohle aus dem Schacht zu
heben. Der Wohlstand der Wolffs mehrte sich: Um 1812 betrieb die Familie mehrere
Steinbrüche und handelte mit Pferden. Um 1835 verkauften die Brüder Friedrich
und Heinrich Wolff den Hof der Familie und ließen sich in der Stadt nieder. Friedrich
Wolff baute sich eine weiße Villa an der jetzigen Ibbenbürener Münsterstraße –
heute bekannt als Villa Bergschneider –, Heinrich Wolff erwarb die Villa des Ibbenbürener
Bürgermeisters Sporleder , welche an der Ibbenbürener Klosterstraße gelegen ist
und mittlerweile Büros der Caritas beherbergt. Hier zu leben war nicht übel: Die
Villa war ein prächtiges klassizistisches Gebäude mit ausladender Freitreppe.
Vor dem Haus standen vier Linden, zu einem Laubendach verflochten. |
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Friedrich Wolff fuhr mit
einem vierspännigen Pferdefuhrwerk regelmäßig nach Emden, verkaufte dort Glas
im Hafen und erwarb kanadischen Weizen. Den ließ er in seiner Heimatstadt in der
Werthmühle mahlen, welche er gepachtet hatte. In Lingen hatte Wolff zudem eine
Pferdewechsel- Station. Friedrich und Heinrich Wolff legten um 1850 den Grundstein
für mehrere Betriebe in Ibbenbüren, mit später über 1000 Beschäftigten. Sie bauten
eine Glashütte in Sichtweite der Werthmühle und nannten sie Glasfabrik, weil diese
Bezeichnung fortschrittlicher klang. Sie bauten Häuser mit 52 Wohnungen für die
dort beschäftigten Arbeiter. 1857 errichteten sie eine Dampfmühle mit einem Sägewerk,
die heutige, an der Ibbenbürener Klosterstraße gelegene Alte Honigfabrik. In der
Wolffschen Dampfmühle wurde nicht nur Getreide gemahlen, sondern auch Korn geröstet.
Daraus entstand Malzkaffee. Neben der Dampfmühle standen eine Hufschmiede sowie
eine Schmiede für Eisenteile. Außerdem besaß Friedrich Wolff Kalköfen und mehrere
Steinbrüche, mit Anschluss an den Bahnhof mittels zweier Feldbahnen. Als die Eisenbahn
gebaut wurde, lieferte die Firma Wolff die Bruchsteine für den Unterbau. Am Güterbahnhof
besorgte Friedrich Wolff den Rangierbetrieb und den Kohlentransport vom Ibbenbürener
Förderstollen; insgesamt stand ihm für seine Betriebe ein Fuhrpark von 80 Pferden
zur Verfügung. Heinrich Wolff leitete den kaufmännischen Teil des Unternehmens,
während sein Bruder die organisatorische Führung innehatte. Obwohl sie ein Wirtschaftsimperium
begründet hatten, wollten die Wolffs ihre bäuerliche Herkunft nicht verleugnen:
Sie sprachen ausschließlich plattdeutsch. Nicht zuletzt diese Art der Bodenständigkeit
dürfte den beiden Brüdern in der Bevölkerung Respekt verschafft haben: Firmenchef
Friedrich Wolff etwa wurde respektvoll als „König von Ibbenbüren“ bezeichnet.
Vielleicht ein Trost für den Mann, den sein Vater einst mit einem Holzknüppel
im Jähzorn so heftig auf den Rücken geschlagen hatte, dass der junge Friedrich
damals bleibende Schäden davontrug. |
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1888 brannte bei der Getreideröstung
die Dampfmühle ab. Friedrich Wolff kaufte oder pachtete darauf eine Windmühle
an der Ledder Straße. Er brachte das angebrannte Röstkorn zur Windmühle, wo es
noch tagelang glomm und stank. Das Mehlgetreide wurde nun in der Windmühle gemahlen.
Bald begann der Neuaufbau der Dampfmühle in der Klosterstraße, allerdings ohne
die früher vorhandene Sägemühle. Das Gebäude wurde zu beiden Seiten breiter und
wohl ganz neu errichtet, denn im heutigen Gebäude zeigten sich beim Umbau keinerlei
Brandspuren. Letztlich ist die Baugeschichte des jetzigen Hauses aber nicht restlos
geklärt. Kaum war die neue Dampfmühle fertig, starb 1896 Friedrich Wolff.
Sein Ableben leitete gleichzeitig den Niedergang des Unternehmens ein: Der Mühlenbetrieb
ging ein Jahr später in Konkurs, ebenso kurze Zeit später die Glasfabrik. Die
Steinbrüche wurden anderweitig übernommen. Ebenfalls nicht mehr zu halten war
die weiße Villa Friedrich Wolffs – sie wurde verkauft. Mit dem Tod Heinrich Wolffs
endete schließlich die Ära Wolff kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Eine
überlieferte Begebenheit aus jener Zeit: Anna Alfing war Köchin bei Heinrich Wolff
und dessen Gattin Sophie. Alfings so genanntes Gesindebuch weist sie als Bedienstete
aus, die es verstand, ihre Arbeit in jeder Weise zur Zufriedenheit ihrer Herrschaft
zu verrichten. Eines Abends kam Anna Alfings Verlobter erst gegen 23 Uhr, um sie
in ihrem Zimmer über dem Haupteingang zu besuchen. Er zog an der Stange, die mit
der großen Glocke über der Tür verbunden war. Im letzten Moment konnte seine Verlobte
die Glocke mit der Hand ergreifen, um das Klingeln zu dämpfen – die vornehme Familie
Wolff durfte so spät nicht mehr gestört werden. Aus dem Besuch bei der Angebeteten,
heißt es, wurde allerdings in dieser Nacht auch nichts… Hermann Gößmann
hatte seinerzeit auf dem Oberen Markt in Ibbenbüren einen Handel für Mehl, Getreide,
Futtermittel und Kunstdünger sowie, im selben Gebäude auf der Rückseite untergebracht,
einen beliebten Gasthof namens „Bärenstall“. Gößmann, dessen Sohn Hermann Gößmann
jun. später Präsident des Deutschen Fußballbundes wurde, kaufte 1907 die Dampfmühle,
musste aber drei Jahre später den Mühlenbetrieb einstellen, weil die Technik veraltet
und eine Erneuerung zu kostspielig war. Er beschränkte sich künftig wieder auf
seine „Kernkompetenzen“. Die Schmiede auf dem Gelände der heutigen Ibbenbürener
AOK wurde abgebrochen, nachdem die evangelische Stadtschule fertig geworden war.
Im Ersten Weltkrieg begann Rudolf Bertram aus Osnabrück in der vormaligen Dampfmühle
mit der Produktion von Kunsthonig. Er besaß hierin Erfahrung, hatte er doch bereits
zuvor in Osnabrück eine Kunsthonigfabrik betrieben. Um die Soldaten mit Nahrungsmitteln
zu versorgen, wurden Lebensmittelpakete an die Front geschickt. Zu Beginn des
Krieges begann man deshalb mit der Produktion von Kunsthonig in einem Raum des
Gebäudes. Kunsthonig bestand aus Rohr- und Rübenzucker unter Beigabe von Magermilch
und Löwenzahn, versehen mit Farb- und Aromastoffen. Über Bezugsscheine wurde Kunsthonig
in geringen Mengen auch an die Bevölkerung ausgegeben. Den spärlichen Hinweisen
aus dieser Zeit zufolge schmeckte er nicht besonders gut. Die Frauen in der Produktion
klagten zudem über die große Hitze während der Arbeit, ihre Kittelschürzen waren
ständig vom Honigkleister verklebt. Kunsthonig gab es übrigens noch bis 1955 zu
kaufen. Heute gibt es das identische Produkt unter dem Handelsnamen „Wibine“ noch
als Backzutat. In Ibbenbüren war die Bezeichnung „Honigfabrik“ noch bis etwa 1930
geläufig, für die meisten Zeitgenossen blieb das Gebäude in der Klosterstraße
jedoch „Wolffs Dampfmühle“. |
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1928 kaufte das Handelsunternehmen
Edeka die alte Dampfmühle und richtete hier ein Zentrallager für Lebensmittel
ein. In die Kellerräume zog, als Untermieter der Edeka, ein Getränkehandel ein
und stellte dort Abfüllanlagen für Spirituosen und Wein auf. Später wurde das
Mühlengebäude für die Lagerung der Edeka- Lebensmittel zu klein. Daher erfolgte
1934 ein eingeschossiger Anbau auf der Nordseite. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges
standen bei der Edeka alle Türen offen. Die Bevölkerung hatte sich zum Teil mit
Zucker, Öl, Mehl, Käse und Margarine eingedeckt. Auch sowjetische Zwangsarbeiter,
die bei der Firma Bergschneider in der benachbarten Gartenstraße arbeiten mussten
und dort untergebracht waren, besorgten sich hier Lebensmittel. Um weitere Plünderungen
zu vermeiden, wurde das Gebäude durch britische Besatzungssoldaten bewacht. Eine
Begebenheit aus dieser Zeit: Eine Ibbenbürenerin stellte sich vor den britischen
Bewachern auf und forderte Zutritt, weil sie verzweifelt war und nichts mehr zu
essen hatte. Sie ließ sich auch durch Verbot nicht aufhalten und ging ins Gebäude.
Einer der britischen Soldaten schoss daraufhin zur Warnung in die Luft, allein,
die Frau ließ sich auch hiervon nicht beeindrucken. Mit ihrer Beute, einem Laib
Käse, rannte sie nach Hause. Dort angekommen, musste sie dann voller Enttäuschung
feststellen, das sie eine Käse-Attrappe hatte mitgehen lassen... |
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1949 wurden die alten
Gebäude auf der Hofseite umgebaut und aufgestockt. Im Zuge dessen entstand im
Gebäude eine Wohnung für den Geschäftsführer der Edeka. Ab 1955 wurde Kaffee der
Marke „IBBONA Hanseaten-Mischung“ bei der Edeka geröstet. Edeka-Geschäftsführer
Fritz Trebbe bediente die Probat-Rösttrommel persönlich. Bei etwa 250 Grad verströmten
die Bohnen ihren aromatischen Geruch. Nach dem Abkühlen wurden die Bohnen dann
in der Verlesemaschine sortiert. Diese Maschine hatte einen Tretantrieb, und während
die Füße das Sortierband mit der Tretplatte antrieben, fielen die Bohnen aus dem
Trichter auf das Band. Die guten fielen in den Kaffeesack, die „Stinkbohnen“ wurden
beidhändig aussortiert. Heute gibt es nur noch ganz wenige kleine Röstereien in
der Region, so die Traditionsfirma Finkener in Lengerich (siehe mittendrin Juni
2007). Ein Frischdienstwagen belieferte die einzelnen Edeka-Filialen im Kreis
Tecklenburg mit Kaffee und anderen Produkten aus dem Lager. Mitte der
1960-er Jahre verließ die Edeka Ibbenbüren. Nach dem Auszug wurde vorgeschlagen,
den maroden Altbau an der Klosterstraße abzubrechen. Dazu kam es jedoch nicht,
denn es fand sich 1966 ein neuer Nutzer, der elf Jahre dort blieb: die Firma AFA-Möbel
Hartwig. Der Betrieb brachte im Gebäude ein Möbelmusterlager unter, und immerhin
ein Jahr lang produzierte der Ibbenbürener Autoindustrie- Zulieferer Gerhardi
in dem Gebäude an einer Spritzgussmaschine Kunststoffteile für Automobile. Später
wurde der mittlerweile altehrwürdige Bau an die Caritas verkauft, wie auch das
Nachbargebäude, das zwischenzeitlich als Finanzamt gedient hatte. Lange Jahre
war die Dampfmühle eine Unterkunft für Asylbewerber. Später zogen eine Möbelrampe
sowie eine Suppenküche des Sozialdienstes Katholischer Frauen in den rückwärtigen
Teil des Gebäudes. Schließlich meldete der Kunstverein sein Interesse an, ebenfalls
einzuziehen und den rustikalen Bau mit dem nostalgischen Flair für Ausstellungen
zu nutzen. Die ehemalige Dampfmühle Wolff erhielt im Zuge der Etablierung des
Kunsthauses die Bezeichnung „Alte Honigfabrik“. Ein Brückenschlag vom Kunsthonig
zur Kunst. Und der Beginn einer Wiederbelebung des Gebäudes, das ohne Frage zu
den interessantesten neueren Baudenkmälern der Region gehört. » sue |
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Mittendrin-Gastautor
Werner Suer ist 65 Jahre alt und lebt in Ibbenbüren. Als Heimatforscher
hat er sich auf Industrie-, Wirtschafts- und Familiengeschichte
spezialisiert. Darüber hinaus ist er als Übersetzer historischer
Urkunden tätig. Zur Geschichte des Unternehmens Friedrich Wolff
und der Alten Honigfabrik hat er eine reichhaltig bebilderte
CD-Rom zusammengestellt, die über die Caritas in Ibbenbüren
(Tel. 0 54 51/5 00 20, Herr Becker) zu beziehen ist.
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Foto oben - Bildausschnitt
aus einem historischen Firmenbriefkopf - (Wohnhaus
und Dampfmühle Wolff in der Klosterstraße) Foto
- Häuser Klosterstraße 19 und 21 - M Franke 2008 |
© Förderverein Stadtmuseum Ibbenbüren
e. V. Breite Straße 9 - 49477 Ibbenbüren |
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