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Ibbenbürens > Der Geschichtsforscher Rudolf Dolle |
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Der Geschichtsforscher Rudolf Dolle- Von Albert Recknagel,
Denkmalpfleger der Stadt Ibbenbüren |
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in der Heimat Zeitung Nr. 59 vom 25.02.2011 - Eine Themenbeilage der Ibbenbürener
Volkszeitung | |
1921 ist der erste Heimattag - Rudolf Dolle: Früher Ruhestand gibt Lehrer
Zeit für umfangreiche Studien Von Albert Recknagel |
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Der Beginn der Heimatforschung und Aufarbeitung
der frühesten Geschichte unserer Region ist eng verbunden mit dem Namen Rudolf
Dolle. Dolle schrieb in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zahlreiche Artikel
in der lokalen Presse und gab zwischen 1930 und 1935 neun Schriften zu ortsgeschichtlichen
Themen heraus. Sein veröffentlichtes Werk befindet sich im Archiv des Stadtmuseums
Ibbenbüren. Der Großteil seines Nachlasses, darunter Briefe, unveröffentlichte
Manuskripte und plattdeutsche Geschichten, findet sich im Kreisarchiv in Steinfurt.
Dolle ist vielseitig begabt, interessiert und beschäftigt. Schon als Schüler beginnt
er auf Anregung des Leiters der Ibbenbürener Rektoratsschule vorgeschichtliche
Fundstücke und heimatkundliche Stoffe zu sammeln. Nach seiner Einstellung
als Lehrer gibt er nach Schulschluss Privatunterricht an der Präparanden-Schule
in Langenhorst, studiert in Freizeit und Ferien an der Kunstgewerbeschule in Düsseldorf
und durchforstet die historischen Archive der Umgebung. So entdeckt er, dass Stift
Langenhorst und sein Geburtsort beides Gründungen der Edelherren von Ibbenbüren
sind. | |
Früh im Ruhestand - Als sein
Hausarzt ein beginnendes Lungenleiden bei ihm feststellt und dringend zur Arbeitsbeschränkung
rät, tauscht Dolle Schreibtisch und geistige Arbeit gegen die Bewegung an der
frischen Luft. Dies gibt seinem Wissensdrang die Wende zur praktischen, die Landschaft,
ihre Menschen und Geschichte erkundenden Heimatforschung. Seine Exkursionen
in die westfälische Geschichte bringen ihn auch nach Greven, wo er die gleich
gesinnte Josefa Höping kennenlernt. Im Alter von 30 Jahren heiratet Rudolf Dolle
die aus einer alteingesessenen Bauernfamilie stammende Josefa Höping. Leider erkrankt
seine Frau schon kurz nach der Hochzeit schwer an Tuberkulose. |
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Bildunterschrift: In
dem Verlagsleiter der IVZ, August Plake (auf dem Bild links), fand Rudolf Dolle
einen Freund und Mitstreiter. |
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Nach dreijährigem Leidenskampf stirbt sie völlig
entkräftet 1898. Der Witwer führt von nun an seinen Haushalt mit Unterstützung
seiner Haushälterin. 1903/04 nimmt Dolle an den Ausgrabungen am Römerlager
bei Kneblinghausen (Kreis Soest) teil. Altertumsforschung und Archäologie
entwickeln sich zu seinem Lieblingskind. Bei Ausflügen in die nähere und weitere
Umgebung versucht er Spuren der „germanischen Urbevölkerung“ in unserer Region
aufzuspüren. In der damaligen Zeit ging man davon aus, dass die Germanen auch
schon zur Bronzezeit unsere Region besiedelten. Nach derzeitigem Forschungsstand
lässt sich aber erst ab dem 7. vorchristlichen Jahrhundert die frühgermanische
Jastorf-
Kultur in der Lüneburger Heide belegen. Trotz frischer Luft und gesunder
Ernährung verbessert sich Dolles Gesundheitszustand nicht nachhaltig. Ostern 1912,
nach 30-jähriger Dienstzeit und 48 Jahre alt, wird er berufsunfähig und in den
Ruhestand versetzt. Schon im Herbst des gleichen Jahres zieht Rudolf Dolle zurück
in seine Geburtsstadt Ibbenbüren, wo er sich von seinen Ersparnissen, das kleine
Hinterhaus an der Großen Straße 30a kauft, mit eigenem Zugang über ein Pättken
entlang der Bahngleise (heute: An der Mauritiuskirche 16). Dolle widmet sich
nun voll und ganz den geschichtlichen Denkmälern und Zeugnissen seiner Heimat.
1916 erscheint seine erste größere Veröffentlichung „Die Gründung Ibbenbürens
und seine Entwicklung bis 1616“. |
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1921: 1. Heimattag Nach dem 1. Weltkrieg
verbreitet sich überall in Deutschland die Heimatbewegung, die Ende des 19. Jahrhunderts
entstanden ist. Auch im Kreis Tecklenburg entstehen Vereine für Heimatforschung
und Heimatkunde. Rudolf Dolle ist einer ihrer Protagonisten. Mit heimatkundlichen
Wanderungen, Vorträgen zum Germanentum und Veröffentlichungen wollen sie die regionale,
westfälische Identität fördern. 1921 ist der 1. Heimattag in Westerkappeln
unter reger Beteiligung aus dem ganzen Kreis. Am 22. Februar 1922 trifft man sich
im Körling’schen Saal in Ibbenbüren zur Gründung eines Kreisheimatvereins. Der
Führungsanspruch Tecklenburgs, unterstützt vom damaligen Landrat Schultz, findet
keine Mehrheit und bringt das Vorhaben zum Scheitern. Daraufhin gründen sich in
Tecklenburg, Ibbenbüren, Recke und Mettingen eigene Heimatvereine. Heimatforschung,
Naturschutz und Denkmalpflege sind ihre zentralen Anliegen. Die Bewegung ist stark
in der Lehrerschaft verankert. Die lokale Presse unterstützt, indem sie Platz
für Artikel anbietet und Heimatbeilagen herausgibt. |
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Ybbenburen Im Fall der Ibbenbürener
Volkszeitung ist dies ab 1922 die kostenlose Beilage „Heimat
und Leben“. Hier berichtet Dolle regelmäßig über aktuelle Funde der Vor- und
Frühgeschichte im Kreis Tecklenburg. In dem Redaktionsleiter der IVZ, August Plake,
findet Dolle einen geistesverwandten und engagierten Mitstreiter. Neben der Suche
nach historischen Bodendenkmälern widmet sich Dolle wieder verstärkt dem Studium
und der Auswertung alter Urkunden. So veröffentlicht er 1923 im Heimatjahrbuch
des Kreises Tecklenburg einen Artikel über Freibriefe des 16. und 17. Jahrhunderts.
Mit Ausdauer und Akribie entziffert Dolle längst vergilbte, vergessene, meist
lateinisch geschriebene Urkunden über die Anfänge der mittelalterlichen Siedlung
„Ybbenburen“. In der IVZ berichtet er unter der Rubrik „Aus alten Urkunden der
Heimat“ regelmäßig hierzu. Seine gesammelten Erkenntnisse veröffentlicht er Anfang
der 30er-Jahre in mehreren Broschüren. Dass er dabei manchmal über das Ziel
hinausschießt und aus heutiger Sicht fehlinterpretiert, sei ihm verziehen. In
einem Brief an den Münsteraner Historiker Prof. Schmitz-Kallenberg betont Dolle
selbst: „Ich bin kein Geschichtsforscher, sondern betreibe die Heimatforschung
nur aus alter Liebhaberei“. Als Laie und unter den technischen und wissenschaftlichen
Bedingungen der damaligen Zeit leistet er ohne Zweifel Erstaunliches. |
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Kampf den Donnerkeilen - Dolle beginnt mit der systematischen Erfassung /
Den Aberglauben bekämpfen |
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Die genaue Kenntnis der Heimatflur ist für Dolle
das Fundament der Heimatforschung. Dabei rückt die noch völlig im Dunkel liegende
heimatliche Vor- und Frühgeschichte immer mehr in den Mittelpunkt seines Interesses.
Dolle beginnt die zahlreichen steinzeitlichen Bodendenkmäler (Großstein- und Hügelgräber)
und Fundstücke (Steinbeile, Pfeilspitzen und Urnen) in und um Ibbenbüren systematisch
zu erfassen. Glücksbringer Zur damaligen Zeit gibt es mehr
von Aberglaube und Fantasie geleitete, als wissenschaftlich fundierte Vorstellungen
zu Leben und Werk vorgeschichtlicher Kulturen. Die Bevölkerung sieht in zufällig
gefundenen Steinbeilen uralte, von „heidnischen“ Göttern der Vorzeit ausgesandte
Donnerkeile. | |
Die einen vergraben sie aus Angst vor einem
Fluch schnell wieder nahe einem christlichen Kreuz. Andere verwahren sie im Brotschrank
als Schutz gegen die Blitzgefahr oder stellen sie als Glücksbringer in der guten
Stube aus. Niemand jedoch auf die Idee, sie als prähistorisches Kulturerbe
der Wissenschaft zur Auswertung zur Verfügung zu stellen. Es ist Dolle, der diesen
Gedanken seinen Mitmenschen einbläut. Tagaus, tagein mit seinem Fahrrad und
zu Fuß unterwegs, sucht, sammelt und kartiert er. In den 1920- er/1930er-Jahren
registriert Dolle in den bewaldeten Bereichen von Dickenberg und Schafberg noch
an die 1000 Grabhügel.
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Rudolf Dolle bei einem
seiner Streifzüge durch die Natur. |
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Die Erfassung aller Fundorte und Fundstücke,
die kartografische Aufnahme stein- und bronzezeitlicher Hügelgräber, ihre Auswertung,
Veröffentlichung und Ausstellung ist sicherlich seine größte und nachhaltigste
Leistung. Er bringt Licht ins Dunkel der Vorzeit. Auf der Basis seiner damals
angefertigten Kartierung wird 1987 eine aktuelle Bestandsaufnahme durch die Archäologen
des Westfälischen Museums für Archäologie durchgeführt. Es stellt sich heraus,
dass die meisten Grabhügel inzwischen durch die Kultivierung, Bebauung oder Abgrabung
zerstört sind. |
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Die Begehungen erbringen im Bereich Windmühlenweg
und im Winkel zwischen Bergsiedlung, Rheiner Straße und Recker Straße noch einen
Restbestand von 78 obertägig erhaltenen Hügelgräbern. Sie stammen aus der späten
Jungsteinzeit, der Bronzezeit und reichen bis in die vorrömische Eisenzeit. In
den 1990er-Jahren werden zwölf Grabhügelgruppen und Gräberfelder im Gemeindegebiet
Ibbenbüren unter Denkmalschutz gestellt. Andere warten immer noch auf ihre offizielle
Anerkennung als Kulturerbe und den ihnen zustehenden Schutz. Mit der Bergung,
Sicherstellung und Aufzeichnung vorgeschichtlicher Funde und Denkmäler begnügt
Dolle sich allerdings nicht. Er bringt die daraus gewonnenen Erkenntnisse durch
zahllose Vorträge, Führungen, Aufsätze und Schriften auch unters Volk. Als gelernter
Pädagoge versteht er es weit zurückliegende, schwer vorstellbare Sachverhalte
einfach und lebendig darzustellen. | |
Rudolf Dolle fand
unter anderem diese Steinaxt, | |
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Oft dienen ihm einzelne Fundstücke als Beispiel
und Brücke in die Vergangenheit. Anschauliche Zeichnungen und eine allgemein verständliche
Sprache charakterisieren auch seine Schriften zur Vor- und Frühgeschichte.Diese
Broschüren bezeichnet der kinderlos gebliebene Witwer einmal als „seine geistigen
Kindlein“, die er in die Welt setzt. Die damit verbundenen Kosten sind es ihm
wert. „Ich verwende den Biergroschen halt lieber für die Heimatforschung“, antwortet
er einem Bekannten. Ein Anliegen ist ihm die Rehabilitierung der Urbewohner
Westfalens. Für die klassischen Philologen und Archäologen der damaligen Zeit
gelten nur die Hochkulturen der Ägypter, Griechen oder Römer etwas. Anhand der
in Ibbenbüren und Umgebung gefundenen, zum Teil sehr schön verzierten Keramik
und kunstvoll bearbeiteten Steingeräte kann Dolle seine Zeitgenossen davon überzeugen,
dass „unsere Vorväter hier keineswegs als armselige und wilde Barbaren ein stumpfsinniges
Räuberleben führten“. Nicht zuletzt die Sonderausstellung
von 2009 und der Begleitband „Bronzezeit in Westfalen – Ibbenbüren vor 3500
Jahren“ des Stadtmuseums in Ibbenbüren bestätigen dies eindrucksvoll. |
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Rudolf Dolle Rudolf Dolle wird
am 24. November 1863 in Ibbenbüren in der Brunnenstraße
geboren. Sein Vater ist der Drechslermeister und Kurzwarenhändler Anton Franz
Dolle. 1870 zieht die Familie in einen Neubau in der Großen
Straße, der späteren Buchhandlung Rieping. Rudolf Dolle hat zwei Schwestern.
Die ältere, Anna, heiratet später Theodor Rieping, Buchbindermeister und Mitbegründer
der Ibbenbürener Volkszeitung. Als Dolle neun Jahre alt ist, stirbt seine
Mutter, einige Jahre später auch der Vater. Zu jung, um das väterliche Geschäft
zu übernehmen, kämpft er sich mit bescheidenen Mitteln und eisernem Fleiß bis
zum Reifezeugnis als Volksschullehrer durch. Nach Ableistung der Wehrpflicht
und der Zusatzprüfung als Taubstummenlehrer tritt er eine Stelle an der Sonderschule
in Langenhorst bei Ochtrup an. Ganz besonders widmet Dolle sich dem Unterricht
und der Erziehung jener Taubstummen, die nicht nur gehörlos sind, sondern auch
mit Tuberkulose (Schwindsucht) und verschiedenen körperlichen wie geistigen Behinderungen
zu kämpfen haben. |
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Er ließ sich den Mund nicht verbieten Enge Beziehungen zum Westfälischen
Museum für Vor- und Frühgeschichte |
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Von Albert Recknagel Dolle ist eine Zeit
lang Vorsitzender des Ibbenbürener Heimatvereins und später Beauftragter für Geschichte
im Westfälischen
Heimatbund, dem Dachverband der zahlreichen lokalen Heimatvereine. Als Mitglied
im „Ausschuss für wissenschaftliche Heimatkunde“ scheucht er seine allesamt akademischen
Kollegen erst mal kreuz und quer durch das Tecklenburger Land. Er unterhält eine
enge Beziehung zu Dr. Stieren vom Westfälischen Museum für Vor- und Frühgeschichte
in Münster, den er regelmäßig über Funde informiert. Als Kenner vorgeschichtlicher
Fundstellen und Artefakte ist er einer der Pioniere regionaler Vorgeschichte und
Archäologie. Früh brandmarkt er die „sportliche Urnenjägerei“, die die Artefakte
ihrem Fundzusammenhang entreißen und zu „nichts sagenden Schaustücken“ machen.
Die gedankenlose Zerstörung prähistorischer Kulturdenkmäler durch Ackerbau und
Siedlungen regt ihn fürchterlich auf. Als ehrenamtlicher „Pfleger für kulturgeschichtliche
Bodenaltertümer im Amt Ibbenbüren“ macht sich Dolle stark dafür, dass mehr Bodendenkmäler
unter Schutz gestellt werden. Bei Feld- oder Bauarbeiten gefundene Stücke sind
kein „wertloses Zeug“, sondern die einzigen „Geschichtsnachrichten aus grauer
Vorzeit“. | |
Am besten, so schreibt er schon 1928, buddelt
man nicht weiter, sondern lässt den zufällig gemachten Fund an Ort und Stelle
durch Fachleute in Augenschein nehmen. In der Regel geben die Fundumstände mehr
Auskunft als der Fund an sich. Auch mit dieser Erkenntnis ist Dolle dem
Allgemeinverständnis seiner Zeit weit voraus. In Vorträgen versucht er, seine
Zeitgenossen aufzuklären und fordert insbesondere Lehrerschaft und Heimatfreunde
auf, zu retten, was zu retten ist und es der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen.
In der Bevölkerung ein Bewusstsein für und den Respekt vor prähistorischen Fundstücken
zu wecken, ist und bleibt sein Hauptanliegen. Heimatkunde soll ein Kernfach des
Schulunterrichts werden. | |
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Bildunterschrift: Dolles
Haus an der Mauritiuskirche: Hier empfing der Ibbenbürener Altertumsforscher Mitstreiter
und Schüler. |
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Einmal ausgegraben und registriert, gibt es lange
Zeit keinen angemessenen, öffentlich zugänglichen Platz für die Fundstücke in
Ibbenbüren. Die Einrichtung eines Museums ist ihm daher ein besonderes Anliegen.
1933 ist es endlich so weit: In der Brunnenstraße
2 wird mit tatkräftiger Unterstützung vieler Mitglieder des Heimatvereins, des
Rektoratsschulleiters Dr. Deiting, des Lehrers Anton Rosen und zahlreicher Schüler
das Heimatmuseum bestückt. Der Großteil der ausgestellten Werkzeuge und Geräte
bezieht sich auf das bäuerliche Leben und Arbeiten. Die Einrichtung einer
eigenen prähistorischen Abteilung bleibt ein Traum, da sich Dolle alsbald mit
dem Heimatverein überwirft. Er bleibt Mitglied, nimmt aber keine leitenden Aufgaben
mehr an. Bei dem Bombenangriff vom 6. November 1944 erhält das Museum einen
Volltreffer. Nahezu das gesamte Inventar wird zerstört. Nur zwei der stein- und
bronzezeitlichen Ausstellungsstücke, die Dolle so anschaulich beschreibt, tauchen
später wieder auf. Im 2008 neu eröffneten Stadtmuseum Ibbenbüren in der Breiten
Straße 9 haben sie eine neue Heimat gefunden. Die Machtergreifung des
Nationalsozialismus hat Auswirkungen auf die Arbeit der Heimatfreunde. Obwohl
es von der Zielsetzung her durchaus Berührungspunkte der deutschnational geprägten
Heimatvereine zur völkischen Bewegung Adolf Hitlers gibt, lehnen viele, so auch
Dolle, die nationalsozialistische Ideologie und Gewaltbereitschaft ab. Wie alle
zivilgesellschaftlichen Organisationen werden auch die Heimatvereine bis Mitte
der 1930er-Jahre gleichgeschaltet: Entweder sie unterstellen sich nationalsozialistischer
Führung oder werden aufgelöst. Der damalige Vorsitzende Wilhelm Stake muss 1934
zurücktreten. An seiner Stelle übernimmt der Verleger Dr. Bernhard Scholten die
Leitung. | |
Obwohl die Zahl der Mitglieder mit 125 hoch bleibt,
sind keine wesentlichen Aktivitäten des Heimatvereins in den Jahren bis 1945 ersichtlich.
Am 1. September 1945 nimmt der Heimatverein mit Erlaubnis der englischen Besatzungsmacht
die Arbeit unter dem neuen, alten Vorsitzenden Lehrer Stake wieder auf. Auch
Dolle war nicht bereit, sich den Mund verbieten zu lassen oder sich gar dem Nationalsozialismus
anzuschließen. In einem 1935 verfassten Dossier der Staatspolizei (Gestapo) in
Münster wird über ihn Folgendes festgehalten: „Dolle ist ein alter Zentrumsmann.
Er lebt im Ruhestand und ist Junggeselle. Dem Nationalsozialismus steht er fern.
Bezeichnend für ihn ist, dass er den deutschen Gruß grundsätzlich verweigert und
ferner, dass er trotz seiner guten, wirtschaftlichen Lage bei Eintopfsammlungen
für das Winterhilfswerk nur 20 Pfennig gab.“ |
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Kleines Haus wird inoffizieller Treff - Dolle ist Mitbegründer des Heimatvereins
/ Kein Freund der Nazis |
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Mit der „Verordnung zur Wahrung der Unabhängigkeit
des Zeitungsverlagswesen“ von 1935 erzwingen die Nationalsozialisten auch die
Gleichschaltung der Presse. Die IVZ und ihre Abonnenten müssen an die Berliner
Verlagsanstalt Vera verkauft werden. Ab Mai 1936 heißt die neue Zeitung „Neue
Volksblätter – Ibbenbürener Volkszeitung“ mit Redaktionssitz in Osnabrück. Der
Redaktionsleiter und Mitstreiter von Dolle, August Plake, darf anfangs noch die
Lokalredaktion betreuen. Aber Mitte 1939 verhaften ihn Polizei und SS in den Redaktionsräumen
in der Breiten Straße und führen ihn ab. Er erhält Berufsverbot. Gegen
die Nazis Dolle, der Pensionär ist, und dem man das Hobby nicht verbieten
kann, versuchen die Nationalsozialisten anderweitig kaltzustellen. Ihre Strategie
ist es, seine Arbeiten zur Heimatforschung zu würdigen und ihn gleichzeitig als
jemanden darzustellen, der die Zeichen der „neuen Zeit“ nicht erkennt. Der „einsam
und stur seinen Weg geht“, während eine nationalsozialistische „Jugend heranwächst,
die sein Werk aufnimmt und weiterführt mit der Zielsetzung: Für Heimat und Reich!“ |
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Die Glückwünsche der nationalsozialistischen
Presse zu seinem 75. Geburtstag (1938) kommentiert Dolle handschriftlich mit dem
Zusatz: „… und auch sonst noch zeigt er, dass die höhnische Frage: Dolle, lebst
du noch? höchst überflüssig ist.“ Der Zeit voraus. Mit der Gleichschaltung
der Heimatvereine und der Presse fehlen Dolle Unterstützung und Medium, um seine
Untersuchungen und Erkenntnisse weiter zu veröffentlichen. Er zieht sich zurück,
allerdings nur nach außen hin. Sein kleines weißes Haus nahe der Mauritiuskirche
wird zum inoffiziellen Heimatarchiv und privaten Treffpunkt. |
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| Bildunterschrift:
Ein Familienfoto im Hause Rieping an der Großen Straße 23: (v.l. sitzend) Maria
Rieping († 1982), Rudolf Dolle († 1945), Franz Rieping († 1960) aus Rheine, seine
Frau Bertha geb. Even († 1962), Rudolf Rieping († 1956), Luise Rieping, seine
Frau, geb. Mohrmann († 1987). Stehend v.l.: August Rieping, Hauptlehrer in Hörstel
(† 1940), Hedwig Rieping geborene Landsbeck († 1964) und ihr Mann Aloys Rieping,
Paderborn († 1957), und Josefa Rieping († 1964). Das Bild stammt wohl aus den
frühen 30er Jahren. |
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Rudolf Dolle bleibt eine Institution. Er wird
weiterhin rege von Historikern und Heimatfreunden in Anspruch genommen. Selbst
übergeordnete Dienststellen des NS-Staates fragen seine Kenntnisse ab. Er weiß
nicht nur unleserlich erscheinende Urkunden zu entziffern und zerbrochene Scherben
alter Urnen zusammenzusetzen, sondern kann mit der gleichen Geschicklichkeit und
Sorgfalt eine Puppe flicken und ein Gemälde restaurieren. Auch ehemalige Schüler
und andere suchen weiterhin seine Hilfe. So liebenswürdig er gegenüber Ratsuchenden
und Hilfsbedürftigen ist, so unbequem und hartnäckig kämpft er gegen jene, die
die zu erforschende Materie seiner Meinung nach nicht beherrschen oder nur für
ihre persönlichen oder politischen Zwecke verwenden. |
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Sein langjähriger Freund August Plake hebt zwei
Charaktereigenschaften besonders hervor: seine Strenge und seinen wachen Geist.
Nur Dank einer sehr disziplinierten Ernährungs- und Lebensweise sowie der ihm
eigenen Willenskraft war er in der Lage, 60 Jahre lang seine Tuberkulose-Krankheit
zu kontrollieren und dennoch ein erfülltes Leben zu führen. Rudolf Dolle ist bis
kurz vor seinem Tod unermüdlich tätig. |
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Nahezu Tag für Tag hält er akribisch wertvolle
Informationen und Erkenntnisse auf seiner Schreibmaschine für die Nachwelt fest..
„Trotzdem“, so erinnert sich German Rieping an seinen Großonkel, „hatte mein Patenonkel
Rudolf immer Zeit, mit mir Schmetterlinge zu züchten und zu präparieren. Sein
Haus war umgeben von Blumen und Gärten. Ein großartiger Spielplatz.“. Am 12. Mai
1945, kurz nach der Kapitulation von Hitler-Deutschland, stirbt der 82-Jährige
unerwartet, aber nicht unvorbereitet. Schon Jahre zuvor hatte er sich seine Grabstätte
auf dem Zentralfriedhof in Ibbenbüren nach eigenem Entwurf herrichten lassen. |
| Die
Grabstelle von Rudolf Dolle und seiner Frau ist |
relativ auffällig.
Sie befindet sich auf dem Friedhof an der Nordstraße. |
| Foto:
Sabine Plake | |
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Für die Stadt Ibbenbüren wäre es an der Zeit,
in angemessener Weise an das Leben und Wirken von Rudolf Dolle zu erinnern. Zwar
gibt es im Fisbecker Forst eine nach Dolle benannte Straße, aber weitere Hinweise
sucht man in Ibbenbüren vergebens. Ohne zu übertreiben, kann man ihn als den Begründer
der hiesigen Orts und Regionalgeschichte bezeichnen. Er legte den Grundstock.
Die Texte sind in leicht veränderter Form im Artikel „Pionier der Ibbenbürener
Heimatforschung“ im Jahrbuch für den Kreis Steinfurt „Unser Kreis 2011“ (S. 242–249)
veröffentlicht. |
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„Bedeutung wird unterschätzt“ - Interview mit dem Denkmalpfleger der Stadt
Ibbenbüren, Albert Recknagel |
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tIBBENBÜREN. Albert Recknagel ist seit
2006 Denkmalpfleger bei der Stadt
Ibbenbüren. Der ausgebildete Lehrer ist bei der Kinderhilfsorganisation terre
des hommes in Osnabrück Leiter des Referates Kinderrechte. In seiner Freizeit
engagiert er sich für das Ibbenbürener Stadtmuseum. In dessen Archiv finden sich
viele Werke Dolles. Sabine Plake sprach mit Recknagel über die Bedeutung Dolles
für die hiesige Geschichte. Wie sind Sie auf Rudolf Dolle gestoßen?
Recknagel: Wenn man sich für die Geschichte Ibbenbürens interessiert
und dabei nicht nur für das Mittelalter und die Neuzeit, sondern für die früheste
Geschichte, dann stößt man unweigerlich auf Rudolf Dolle. Er ist der erste gewesen,
der dieses Thema im Tecklenburger Land systematisch angegangen ist und das über
viele Jahrzehnte. Er hatte ein ziemlich empirisches Wissen über die Situation
um und in Ibbenbüren. Dolle war Lehrer: Gibt es da einen Zusammenhang
zwischen seiner Tätigkeit und seinem Hobby? Recknagel: Geschichte
faszinierte Dolle schon als Schüler. Aber das Interesse an der Archäologie hat
mit seiner Tuberkulose-Krankheit zu tun, die er sich während seiner Lehrertätigkeit
in Langenhorst zuzog. Sein Arzt verordnete ihm viel Bewegung an der frischen Luft.
Er wanderte viel, nahm in den Ferien an Ausgrabungen aus der Römerzeit teil und
engagierte sich in der praktischen Heimatforschung. Die intensive Beschäftigung
mit Ibbenbüren begann erst nach seiner Pensionierung. Er wurde mit 48 Jahren aufgrund
seiner Krankheit pensioniert. Damals zog er nach Ibbenbüren zurück und begann
seine Studien. Das war damals noch Lokal- und nicht Stadtgeschichte, denn Ibbenbüren
gab es noch gar nicht. Wie muss man sich die geschichtlichen Anfänge
Ibbenbürens denn vorstellen? Recknagel: Das damalige „Zentrum“ Ibbenbürens
lag eher Richtung Süden – etwa da, wo heute der Toom-Baumarkt ist. Dort war ein
großes Gräberfeld, auf dem die zwischen der Aa-Niederung und dem ansteigenden
Teutozug lebenden Steinzeitund Bronzezeitbauern ihre Toten begruben. Die Äcker
und die Gehöfte reihten sich auf den sandigen und trockeneren, etwas höher liegenden
Gebieten entlang der Aa auf. Es war wirklich eine Aneinanderreihung von Gehöften
entlang des Flusses. Und der Fluss war damals auch sicherlich breiter als heute
und schlängelt sich durchs Tal. Er wurde wohl auch beschifft. Dazu gibt es mehrere
Hinweise.Es sind Rasiermesser und Angelhaken gefunden worden, die deutliche Hinweise
darauf geben, dass hier Fischfang und auch Handel mithilfe von Booten eine gewisse
Rolle gespielt hat. Was ja auch naheliegend ist: Was für uns heute die Autobahn
A 30 im Süden der Stadt ist, war früher der Fluss. Der wesentliche Transport fand
über die Flüsse statt. Rudolf Dolle hat über die Anfänge von Ibbenbüren
einiges geschrieben? |
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Recknagel: Als ich gesucht habe,
was gibt es an ältesten geschichtlichen Hinweisen zu Ibbenbüren, stieß ich immer
wieder auf den Namen Rudolf Dolle. Im Archiv des Stadtmuseums fand ich dann seine
in den 20er- und 30er-Jahren veröffentlichten Texte. Ich fand es erstaunlich,
dass man über den Menschen Dolle dann gar nichts fand. Das hat mich neugierig
gemacht. Ich habe dann Bekannte gefragt und bin auf großes Schweigen gestoßen.
Ja, habe ich schon mal gehört, jau, wohnte hier, aber dass er sozusagen der Gründer
des Heimatvereins war, dass er der Gründer der Lokalgeschichte war, dass er ein
Pionier der Heimatforschung im Altkreis Tecklenburger Land ist, das war kaum jemandem
bekannt. | |
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Bildunterschrift:
Albert Recknagel hat sich intensiv mit der Person von Rudolf Dolle auseinandergesetzt.
Er schreibt dem Denkmalforscher eine zentrale Rolle zu. Foto: Sabine Plake |
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Dass man den Heimatforscher Dolle eigentlich
verkannt hat, hat Sie neugierig gemacht? Recknagel:
Ja. Denn ich finde, jemand, der so viel für die Stadt und die Region hinterlassen
hat, der sollte auch hier in Ibbenbüren eine gewisse Würdigung erfahren. Denn
die nächste Überraschung war, dass auch der Stadt Ibbenbüren nicht wirklich die
Bedeutung Dolles bewusst ist. Es gibt hier zwar eine Straße im Fisbecker Forst,
die den Namen von Dolle trägt, aber mehr erinnert nicht an ihn. Kein Denkmal,
keine Plakette, irgendetwas, was auf Dolle hinweist oder auch im Internetauftritt
der Stadt – man wird Dolle nicht finden. Das war meine weitere Motivation, zu
gucken, wer war denn dieser Mann. Warum hat man Dolle nicht
richtig ernst genommen? Recknagel: Da kann ich nur spekulieren.
Man konnte ihn politisch nicht so richtig einordnen. In der Nachkriegszeit und
auch in den späten 70er- und 80er-Jahren, da war so was wie Heimatforschung vielen
eher suspekt. Da gab es diese Germanentümelei, die auch Dolle hatte. Die war aber
auch ein Kind der damaligen Zeit. Das hieß nicht automatisch, dass man deswegen
Nazi war. Dolle war kein Nazi. Dolle war sicher stockkonservativ,
aber er war Mitglied der Zentrumspartei. Das war ja sozusagen eine Vorgängerpartei
der heutigen CDU. Er wird von Zeitgenossen als sehr streng beschrieben. Aber wenn
er sich für eine Sache interessierte, hat er sich dahinter geklemmt und ist dem
nachgegangen. So hat er der Stadt eine Menge an Wissen hinterlassen und andere
angeregt, es ihm nach zu machen. Ein anderer Punkt, warum er bei einigen Wissenschaftlern
in Misskredit steht, hat damit zu tun, dass er auch einige Veröffentlichungen
über die mittelalterliche Geschichte der Stadt herausgegeben hat, die ziemlich
danebenliegen. Deswegen läuft er bei einigen mehr unter dem Begriff Geschichtenerzähler
als Historiker. |
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Dolle hat Dinge ausgegraben - Archäologen
nutzen bis heute Karten und Zeichnungen des Heimatforschers |
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Ein Geschichtenerzähler war er nach Ihren
Erkenntnissen aber nicht. Sie schreiben ihm als Heimatforscher eine zentrale Rolle
zu? Recknagel: Für Ibbenbüren hat er eine bahnbrechende
Rolle gehabt. Dolle hat Dinge ausgegraben – im wahrsten Sinnes des Wortes – und
in Zusammenhang gestellt, die ein ganz anderes Licht auf die Frühgeschichte werfen,
insbesondere auf die Jungsteinzeit und die Bronzesteinzeit: Dabei geht es darum,
wie sich das Gebiet mit der Ankunft der ersten Bauern entwickelt hat. Und aus
dieser Zeit finden wir zunehmend diese Steinäxte. Bei den Menschen hier – nicht
nur bei den Schulkindern – hat er Interesse für eine Zeitepoche geweckt, die vorher
gar nicht im Blick war. Für sie existierte die große Zeit der Griechen und Römer,
aber in unserer Gegend gab es da noch nichts Geschichtliches zu vermerken, meinten
sie. Das war ein Irrtum. Dolle hat aufgrund seiner Funde zeigen können, dass es
hier durchaus bäuerliche, gut organisierte, funktionierende Gesellschaften gab.
Die haben keine großen Steinbauten zuwege gebracht wie im Mittelmeerraum. Aber
nicht zuletzt durch die Ausgrabungen am Gräberfeld beim Baumarkt Toom hat man
herausgefunden, dass es zur Bronzezeit hier Einzelgräber von bis zu 50 Meter Länge
gab mit Urnenfunden und bronzenen Grabbeigaben. Das sind jetzt nicht die erhofften
Fürstengräber, aber es deutet darauf hin, dass auch nicht die Ärmsten der Armen
hier wohnten. Es gab einen beachtlichen, bäuerlichen Wohlstand, der es erlaubte,
sich mit solchen Luxusgütern damaliger Zeit wie Rasiermessern, bronzenen Nadeln,
Gewandnadeln und prächtiger Kleidung auszustatten. Wir sind nicht so geschichtslos,
wie manche denken. Wir haben so viele Sachen und möchten das zeigen. Deswegen
auch die Ausstellung zur Stein- und Bronzezeit im neuen Stadtmuseum.
Dolle wird gern als Experte zitiert? Recknagel:
Bis heute beziehen sich die Münsteraner Archäologen, die für uns zuständig sind,
auf Karten, Zeichnungen und Fundbeschreibungen von Dolle. Man kann nicht sagen,
dass er ein ausgebildeter Archäologe war. Das sagte er auch selber einmal: „Ich
bin kein Wissenschaftler, aber ich begeistere mich für unsere lokale Geschichte
und deswegen mache ich das“. Im Laufe von 50 Jahren sammelt und lernt man viel.
Das kleine, weiße Häuschen hinter der Bahn in der Nähe der Mauritiuskirche, wo
er wohnte, ist auch während der Nazizeit bis zu seinem Tod 1945 immer wieder von
Interessierten und Wissenschaftlern besucht worden. Heute tun wir uns ja immer
leicht im Kritisieren der Altvorderen, weil wir meinen, dass wir es besser wissen.
Aber uns wird in 50 Jahren genau das Gleiche passieren. Da lachen unsere Ur-Enkel:
Was habt ihr denn da gemacht? Man muss den Menschen in seiner Zeit sehen. Und
wenn man das tut, dann war Dolle innovativ. Er hat Dinge vorangebracht, um die
sich hier vorher keiner gekümmert hat. |
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Wenn Dolle das nicht alles gesammelt und
aufgeschrieben hätte, gäbe es viele dieser Erkenntnisse heute nicht, oder?
Recknagel: Genau. Das Bewusstsein der damaligen
Zeit war so, dass man Steingeräte nicht als archäologische, historische Funde
betrachtete. Für die einen war das Teufelszeug, die haben das schnell beim nächsten
Kreuz wieder vergraben. Auf diese Art und Weise hat man in der Nähe von christlichen
Kreuzen später solche Donnerkeile und Sachen wieder gefunden. Das war ja noch
ganz gut. Andere haben sich das zu Hause in die Vitrine gestellt als Glücksbringer.
Allen gemein war, dass man dafür kein historisches Verständnis hatte. Man hat
nicht verstanden, dass diese Funde eine Menge über die damalige Zeit, die Kultur
und die Menschen erzählen können. Und noch viel mehr, wenn man sie am Ort belässt.
Darauf hat Dolle immer wieder hingewiesen: „Wenn ihr Keramik findet, wenn ihr
Donnerkeile findet, wenn ihr Steinbeile findet, lasst die Sachen da liegen, sagt
mir Bescheid, ich schau mir das an, ich hole Archäologen.“ Denn die Fundumgebung
ist eigentlich das, was spricht und weniger der Fund an sich. Niemand hat daran
gedacht, diese Dinge bei der Stadt oder sonst wo abzugeben. Dieses Verständnis
hat Dolle auch über seine endlosen Vorträge im Kreis und in Schulen überhaupt
erst geweckt. |
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Damals wurde auch die Bockradener Axt
gefunden. Recknagel: Die Bockradener
Axt wurde gefunden, als die Verbindungsstraße zwischen Alter Bockradener Straße
und Recker Straße gebaut wurde. Die Straße ging mitten durch ein großes Steingrab.
Die Straßenbauingenieure hatten für so etwas kein Verständnis. Damals wurde gesagt,
das „Zeug“, das haben wir da hinten hingelegt. Dolle ist dann noch dort hin und
hat versucht zu retten, was zu retten war. Um solche Funde angemessen aufzubewahren,
hat er sich schon früh für ein Heimatmuseum stark gemacht. |
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Bild: Rudolf Dolle
mit seiner Frau Josefa Höping. Im Alter von 30 Jahren heiratet Rudolf Dolle die
Tochter einer alteingesessenen Bauernfamilie. Leider erkrankt seine Frau
schon kurz nach der Hochzeit schwer an Tuberkulose. Nach dreijährigem Leidenskampf
stirbt sie völlig entkräftet 1898. |
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An der Gründung des Stadtmuseums 1933 war
er aber nicht aktiv beteiligt? Recknagel: Nein, er
hatte sich wohl mit dem Heimatverein in die Wolle gekriegt. Er war mehr der Typ
Einzelkämpfer Er hat aber einige wichtige Fundstücke zur Verfügung gestellt und
dafür gesorgt, dass es ausgestellt wurde. Nur leider wurde das Museum 1944 bombardiert
und fast alles ist verbrannt und verschwunden. Daher haben
seine vielen schriftlichen Aufzeichnungen besondere Bedeutung? Recknagel:
Ja, dort ist alles aufgezeichnet. Er hat viel veröffentlicht, vor allem
in Beilagen und Sonderausgaben der IVZ, beziehungsweise der IVD der frühen 30er-
Jahre. Dadurch haben wir es schwarz auf weiß. Einige wenige seiner Fundstücke
sind im Stadtmuseum. Andere sind, wie gesagt, verschwunden. Aber vielleicht taucht
in alten Schul- oder Privatarchiven ja auch noch mal was auf. Das Stadtmuseum
würde sich freuen! Ist es Ihr Wunsch die Verdienste Dolles
festzuhalten? Recknagel: Ich will an Menschen, die
sich um Ibbenbüren verdient gemacht haben, erinnern. Es gab auch mal einen Herrn
namens Mettingh. Der war im 17. Jahrhundert der reichste Mann in Ibbenbüren. Was
an sich noch kein Verdienst ist. Aber auch er war in seiner Zeit ein innovativer
Mensch, der probierte, etwas Neues unternahm und Dinge voranbrachte. Er war sozusagen
der erste große Ibbenbürener Unternehmer. Da habe ich auch schon gedacht: Warum
hat da noch nie einer was zu veröffentlicht? Ist das dann
Ihre nächste Aufgabe? Recknagel (lachend): Nö, jetzt
muss ich erst mal den Krimi schreiben. Ich hab’ mal gesagt, dass sich der ganze
Stoff, den die Archäologen aufgrund der Funde am Toom-Baumarkt erschließen konnten,
für einen Bronzezeit- Krimi eignet. Da ist nämlich auch der Leichenbrand einer
Frau gefunden worden mit einer im Feuer zum Teil geschmolzenen Pfeilspitze. Offensichtlich
hatte diese die Frau tödlich verwundet. So ’n Krimi, das wäre noch mal was! |
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Unsere heimatliche Steinzeit - Gefäße, Schmuck und Waffen wurden oft in Gräbern
gefunden | |
Von Rudolf Dolle. Aus den Megalithgräbern
unserer Steinzeit:Die neuzeitliche Altertumsforschung schätzt – nach Kiesebusch,
Deutsche Vor- und Frühgeschichte, Leipzig, Reclams Universitätsbibliothek – die
ältesten bis jetzt auf deutschem Boden gefundenen menschlichen Daseinsspuren,
welche durch menschliche Skelettreste bezeugt sind, auf ein Alter von über 100
000 Jahren. Dementsprechend nimmt sie an, dass der Mensch auf deutschem Boden
schon zu Beginn der europäischen Eiszeit lebte. Das war jene geologische Entwicklungsperiode
unserer Heimat, in der nach einem gewaltigen Klimasturz von den Alpen und von
Skandinavien her zugleich ungeheure Eisberge gegen das Innere Europas vordrangen
und hier nur einen schmalen Streifen von Frankreich, Belgien, Thüringen und Österreich
eisfrei ließen. Das von Norden her vordringende Inlandeis deckte dann in
wiederholten Vorstößen auch unsere Heimat völlig zu, was uns heute noch die von
den abschmelzenden Gletschern zurückgelassenen Geschiebe aus Sand, Lehm und Kies,
insbesondere aber die zahlreichen Findlingsblöcke nordischer Herkunft sagen. Da
diese Gletscher damals alles hier Lebende unter sich begraben haben und das Inlandeis
dann für die folgenden hunderttausend Jahre jegliche Besiedelung unserer Heimat
ausschloss, können Funde aus der Älteren Steinzeit bei uns nicht infrage kommen,
denn nach der neuzeitlichen Altertumskunde fällt das Ende der Älteren Steinzeit
mit dem Ende der Eiszeit zusammen. Funde aus der Älteren Steinzeit sind nur in
dem oben genannten eisfrei gebliebenen Teil von Mitteleuropa möglich. |
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Aus der Mittleren Steinzeit dagegen, deren Beginn
man nach dem Abschmelzen des Inlandeises etwa für das 10. Jahrhundert vor Christi
Geburt ansetzt, wären bei uns menschliche Daseinsspuren schon eher zu finden,
wenn die Altertumskunde bereits untrügliche Merkmale angeben könnte, nach denen
steinzeitliche Funde mit Sicherheit entweder der Mittleren oder der Jüngeren Steinzeit
oder dem Übergang der letzteren zum Metallzeitalter zugewiesen werden können.
Der Mittleren Steinzeit folgte nämlich um etwa 4000 vor Christus noch die Jüngere
Steinzeit, mit der dann um 2000 vor Christus unser heimatliches Steinzeitalter
überhaupt endet, um allmählich in das Metallzeitalter überzugehen. Gerade
aus diesem letzten Abschnitt der heimatlichen Steinzeit besitzen wir im östlichen
Teil des Kreises Tecklenburg noch eine Reihe charakteristischer Kulturdenkmäler
in Form jener monumentalen Riesensteingräber, von denen das zu Westercappeln als
das äußerlich verhältnismäßig besterhaltene Hünengrab wohl allgemein bekannt ist.
In Nordwestdeutschland, insbesondere in der Provinz Hannover, gibt es noch eine
große Zahl dieser wohlerhaltenen Megalithgräber, von denen wir nachfolgend das
besonders stimmungsvolle Bild eines solchen vom nahegelegenen Hümmling bringen.
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| Bildunterschrift:
Dolle fand bei seinen Streifzügen viele Gefäße, Schmuck und Waffen, die er
auch zeichnete. Viele Funde wurden leider bei einem Bombenangriff zerstört. |
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Das Riesensteingrab zu Westercappeln verdankt
seine äußerlich gute Erhaltung wohl nur dem Umstande, dass es bis in die Neuzeit
weitab von Besiedelung und Verkehr blieb, dagegen wurde sein Inneres bereits im
vorigen Jahrhundert durch Raubgrabung zerstört. Alle anderen Riesensteingräber
des Kreises Tecklenburg sind jedoch nur noch in kümmerlichen Resten vorhanden,
so in Lage bei Mettingen, in Laggenbeck und in Wechte bei Tecklenburg. Ihre Decksteine
wurden im Laufe der vorigen Jahrhunderte zu Straßen- und Fundamentbau zerschlagen
und zersprengt, deren Stützen, die Seitensteine, versenkte man durch Untergraben,
wenn sie dem Pfluge im Wege saßen oder fuhr sie ab, wie gegenwärtig noch von einer
Weide auf dem Hünhügel bei Laggenbeck. Unter diesen Umständen war es
ein glücklicher Fund, als im Jahr 1928 in einer Sandgrube zu Wechte bei Tecklenburg
der in der Nähe wohnende Hauptlehrer Rethemeier Reste von Gefäßen feststellte,
deren Verzierungen in Tiefstichkeramik charakteristisch sind für die Jüngere Steinzeit
Nordwestdeutschlands. Die wissenschaftliche Untersuchung durch Dr. Stieren
stellte dann fest, dass hier ein Grab, von noch größeren Ausmaßen als zu Westercappeln,
dem Erdboden gleichgemacht worden war. Nach sorgfältiger, zeitraubender Abdeckung
zeigt sich, dass zwar die Decksteine des Grabes restlos beseitigt waren und auch
viele von deren Tragstützen entweder fehlten oder durch Untergraben aus ihrer
ursprünglichen Stellung gebracht waren, sodass das noch vorhandene Steinmaterial
vom Äußeren des Grabes ein wirres Durcheinander bildete, aber sein aufschlussreicher
Teil, die sogenannte „Kulturschicht“ am Grund des Grabes, war – wenn auch nicht
ungestört, so doch noch unberaubt vorhanden. Sie lag in Stärke von etwa 20 Zentimetern
auf dem mit kleinen Kieseln und flachen Steinen sorgfältig gepflasterten Boden
des Grabes, das eine Länge von etwa 35 Metern und eine Breite von 2 Metern hatte.
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Diese „Kulturschicht“ bildeten die Überreste
der hier Bestatteten mit ihren Beigaben. Ihre Durchforschung stellte in mühsamer
Kleinarbeit an die 200 Bestattungen fest. Von den aus ihr geborgenen Beigaben
sagt Dr. Stieren in seinem Fundbericht (Bodenaltertümer Westfalens, ein Bericht
über Grabungen und Funde für die Jahre 1025 bis 1028, S. 32): „Unter den Beigaben
fällt zunächst der Reichtum an Gefäßen auf, leider zertrümmert. Ein Zweispännerfuhrwerk
voller Scherben, die einige Hundert Beigabengefäße erschließen lassen. Der gesamte
Formenvorrat der sogenannten norddeutschen Tiefstichkeramik ist vertreten wie
Schüsseln, Näpfe, Schulternäpfe, Trichterrandbecher, Kragenflaschen usw. In sonstigen
Beigaben fand sich ein Dutzend geschliffener kleiner Beile, meist aus Feuerstein,
über 30 querschneidige Pfeilspitzen, Kochgerät, Schmuckperlen aus Bernstein und
Gagat, eine durchbohrte Amethystperle, ein halbes Dutzend Kupferblechröllchen.
Die Untersuchung der keramischen Funde (der Töpferarbeiten) steht noch aus“. |
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Viele
Heimatbücher zu den unterschiedlichsten Themen hat Dolle geschrieben. | |
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Heutige Vereine zur Heimatpflege
Forderverein Stadtmuseum Ibbenbüren,
Breite Strase 9, Ibbenburen, . 05451/
504 77 95 - www.stadtmuseum-ibbenbueren.de
Historischer Verein Ibbenburen e.
V., Dr. Peter Erf, VHS Ibbenburen, 0
54 51/ 931 761 Verein zur Heimat-
und Brauchtumspflege Ibbenbüren e.V. Thomas
Grundschöttel - http://www.heimatverein-ibbenbueren.de
Familien- und Ahnenforscher- Gruppe Ibbenbüren,
Kontakt: Hans Nostheide - http://www.heimatverein-ibbenbueren.de
Heimatverein Laggenbeck - www.laggenbeck.de
Heimatvereine im Umland:
Heimatverein Bevergern - http://heimatverein.bevergern.de
Heimatverein Leeden e. V. - http://www.heimatverein-leeden.de
Heimatverein Lengerich - http://www.heimatverein-lengerich.de
Förderverein Talaue südliches Tecklenburg
e. V., Lengerich, (Nachlass von Friedrich Ernst Hunsche)
Heimatverein Mettingen, Reinhold Donnermeyer, . 0 54 52/ 73 10
Förderverein Mettinger Schultenhof e.V. - http://www.schultenhof-mettingen.de
Kulturverein Mettingen - http://www.kulturverein-mettingen.de
Heimatverein Riesenbeck - http://www.heimatverein.riesenbeck.de
Kreisheimatbund Steinfurt - www.kreisheimatbund-
steinfurt.de Geschichts- und Heimatverein
Tecklenburg e.V. - Bodelschwinghweg 16, 49545 Tecklenburg, Tel.:05482 243
Knappenverein Tecklenburger Land e.V. - www.knappenverein-tecklenburger-land.de
Westfälischer Heimatbund - http://www.lwl.org/LWL/Kultur/whb |
| Impressum
IVZ HEIMAT-ZEITUNG - Beiträge zur Geschichte, Naturkunde und Literatur
des Tecklenburger Landes Eine Themenbeilage der Ibbenbürener Volkszeitung
- Heimatzeitung
Nr. 59 vom 25.02.2011 (PDF) Herausgeber und Verlag : IVZ medien GmbH &
Co.KG Wilhelmstraße 240 - 49475 Ibbenbüren Redaktion Sabine Plake, Albert
Recknagel Fotos: Archiv German Rieping; Heimatbücher Rudolf Dolle, Sabine
Plake |
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der IVZ - Ibbenbüren
07.03.2011 | |
Heimatbücher von Rudolf Dolle im Stadtmuseum.(Archiv) |
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| Kirchliche
Markensetzung 12. und 16. Jahrhundert |
Kirchliche Markensetzung
9. Jahrhundert | Kirchspiel
Ibbenbüren | Hathemareslo
-Ibbenbüren | Unsere
heimatliche Steinzeit | | | | | | | | |
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Bürgerschützenverein
in Ibbenbüren 1616 - 1916 | Recke
die Kirche in Saxlinga | Ein
vorgeschichtlicher Moorfund | Die
Sage vom Heiligen Meer bei Hopsten | | |
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Foto Seite oben - Zeichnung von August Dorfmüller - Ibbenbüren
1844 |
© Förderverein Stadtmuseum Ibbenbüren
e. V. Breite Straße 9 - 49477 Ibbenbüren | |
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