|
Sie sind hier:
Stadtgeschichte > Aufsätze zur Geschichte Ibbenbürens >
Kaiser Napoleon und der Wiesenerskamp, |
|
Kaiser Napoleon und der Wiesenerskamp,
im Volksmund "Die Wilhelmshöhe" genannt. |
|
Werner Suer |
|
Nach der Schlacht von Sedan von 1870-1871 wurde
Kaiser Napoleon III. gefangen genommen und auf Schloss Wilhelmshöhe
bis zum 19. März 1871 unter Arrest gestellt. Als er nach Kassel
gebracht wurde, rief man ihm den spöttischen Satz zu "Ab nach
Kassel", woraus später die bekannte Redensart entstand. Aber
was hat diese Geschichte mit der Wilhelmshöhe in Ibbenbüren
zu tun? Dazu gibt es eine alte Geschichte aus der Zeitungsbeilage
der IVZ - Heimat und Leben - Nr. 23 vom Dienstag, den 5. Dezember
1933
|
|
|
Beilage zur IVZ :: Heimat und Leben - Nr. 23 vom Dienstag,
den 5. Dezember 1933 - 7. Jahrg. |
|
|
Thema: Die Wilhelmshöhe bei Ibbenbüren |
|
|
Die Wilhelmshöhe bei Ibbenbüren
Eine Gegend, nordwestlich oberhalb der Stadt, in der Nordfeldmark,
am Abhange des Schafberges, wird im Volksmunde "Wilhelmshöhe"
genannt. Sehr alt ist diese Bezeichnung nicht, in der Karte
sucht man sie noch vergebens, aber seit älterer Menschen Rückgedenken
ist diese Bezeichnung für die betreffende Gegend schon gebräuchlich.Für
die meisten der alten Flur- und Ortsnamen ist Grund und Ursache
ihres Entstehens unbekannt und nicht mehr zu ergründen. Welchen
Umständen die Wilhelmshöhe bei Ibbenbüren ihre Benennung verdankt,
ließ sich noch feststellen. Um es vorweg zu sagen, sie hängt
zusammen mit dem Aufenthalte des Kaisers Napoleon auf der Wilhelmshöhe
bei Kassel und mit einem armen Ibbenbürener Besenbinder. Dieser
wohnte in einem alten Mietshause in der Westfeldmark und stand
eines Tages unfreiwillig vor der unangenehmen und dringlichen
Notwendigkeit, sich ein anderes Obdach suchen zu müssen.
|
|
|
|
Heimat und Leben - Nr. 23 vom Dienstag, den 5. Dezember
1933 - 7. Jahrg. >>> |
---- Heimat und
Leben
|
|
|
Nun befand sich, nicht fern von seiner
bisherigen Behausung, am Berge an der Stelle, die jetzt als
Wilhelmshöhe benannt wird, bei einem Steinbruch ein kleines,
massives Gebäude, das als Schmiede benutzt worden war, wegen
Stillegung des Steinbruchbetriebes aber außer Gebrauch war.
Da hinein zog der obdachlose Besenbinder mit seiner Frau und
seinem Hausrat und richtete sich, so gut wie möglich häuslich
ein. Da damals der unfreiwillige Aufenthalt Napoleons auf der
Wilhelmshöhe bei Kassel noch frisch im Gedächtnis war, sah man
hier in Ibbenbüren, einen sozusagen analogen Fall und es hieß
vergleichsweise, der Besenbinder befände sich auf der Wilhelmshöhe.
Dieser scherzhafte Vergleich gefiel sehr, und die betreffende
Höhe erhielt und behielt die Bezeichnung Wilhelmshöhe, die jetzt
etwa ein gutes halbes Jahrhundert alt (seit ca. 1880) sein mag
und wohl dauernd erhalten bleiben wird. Andere, ältere Zeitgenossen
bekunden, daß Anton Breulmann der gedachten Höhe den Namen Wilhelmshöhe
gegeben habe. Wie in Erfahrung zu bringen war, hat das Steinbruchgelände
früher einem Unternehmer Lothmann zu Osnabrück gehört, der den
Betrieb des Bruches zur Zeit des Eisenbahnbaus, also etwa 1856,
eröffnete. In der Mitte der 60er Jahre ging der Steinbruch in
den Besitz von Krusemeyer aus Ibbenbüren über und von diesem
erwarb ihn, nebst dem zugehörigen Gelände von ca. 5 bis 6 Morgen
das Amt Ibbenbüren um 1875. In dem Steinbruch wurden besonders
die früher viel gebrauchten Fußboden-Platten gewonnen und bearbeitet.
Das Amt ließ im letzten Jahrzehnt (um 1895) neben dem kleinen
Bau der Schmiede ein längeres Gebäude mit 2 Eingängen von Steinen
aus dem Bruch durch den Meister Hackmann errichten, das seitdem
als Armenhaus und Unterkunft für obdachlose Familien und Einzelpersonen
gedient hat. Um die Wohnungsnot zu steuern, ließ das Amt nach
dem Krieg (um 1920) östlich der beiden älteren Gebäude 3 Wohnhäuser
in Ziegelstein errichten und zwar ein größeres Gebäude, in dem
jetzt 8 Familien Unterkunft finden und zwei kleinere Gebäude,
in denen je vier Familien wohnen können. Von dem noch zur Verfügung
stehenden Gelände hat das Amt Bauplätze verkauft, es sind darauf
vier Wohnhäuser errichtet worden. Die Grubenbahn durchquert
auf der oberen Seite das ehemalige Steinbruchgelände. Wenn auch
die Bezeichnung Wilhelmshöhe kein bedeutungsvolles Ereignis
zum Anlass hat, sonder aus dem Volks-Humor hervorgegangen ist,
so ist sie doch ein im Volksmund gern gebrauchter, eine Gegend
bezeichnender Ausdruck, der sich unverwischbar in die heimischen
Flur- oder Ortsnamen eingereiht hat.
|
|
|
Eine Variante dieser Geschichte ist in dem
1980 erschienenen Buch "Alt-Ibbenbüren" von Hunsche-Holwitt
veröffentlicht. Wenn man annehmen darf, daß die folgende Geschichte
aus Erzählungen überliefert ist und der Name Wilhelmshöhe um
1885 entstanden ist, dann dürfte die Geschichte von 1933 der
Wahrheit näher kommen.
|
|
|
Alt - Ibbenbüren, Hunsche-Holwitt, Buch
von 1980 |
|
|
Woher kommt der Name Wilhelmshöhe ?
Wer nach Durchschreiten der Nordstraße die Bahn überquert und
sich dem Schafberg zuwendet, trifft in halber Höhe auf "Wieseners
Kamp". Der Volksmund hat dafür die Bezeichnung "Wilhelmshöhe".
In dem Waldgebiet unterhielt ein Unternehmer aus Münster einen
Steinbruch. Dieser wurde nach 1870 stillgelegt, als der Bahnbau
Rheine - Osnabrück abgeschlossen war. In der mit dem Steinbruch
verbundenen Schmiedewerkstatt, (Wiesenerskamp 7, alt) die nun
unbenutzt war, logierte sich ein Obdachloser ein. Er sah Napoleon
III. sehr ähnlich, der damals als Gefangener auf Schloß Wilhelmshöhe
bei Kassel war. Der Einwohner der Schmiede führte bald den Spitznamen
"Napoleon". Kein Wunder, daß dann das ganze Gelände "Wilhelmshöhe"
genannt wurde. Die Schmiede stand lange leer und verkam allmählich.
Dann diente sie Wohnzwecken. Vor dem Hause wuchs ein mächtiger
Kastanienbaum, eine Zierde der ganzen Gegend. Der ehemalige
Insasse ist längst vergessen; an ihn erinnert nur noch die volkstümliche
Flurbenennung. Die amtlichen Karten kennen diese Bezeichnung
nicht. Für sie ist dieses Gelände "Wieseners Kamp".
|
|
|
Heute (2016) ist von dem Steinbruchgelände nichts
mehr zu erkennen. Der Wiesenerskamp ist eine Straße mit schönen
und modernen Wohnhäusern am Waldrand geworden. Im Westen beginnt
ein Wanderweg, der durch den Wald unterhalb der Zechenbahn zum
Zumdiekskamp führt. Die Bewohner der Wilhelmshöhe holten früher
ihr Wasser aus dem alten Steinbruch Lothmann. Dort war eine
Quelle, genannt "dat Welleken". Der Steinbruch ist schon lange
verfüllt. Die alte Steinbruch-Schmiede aus grobem Bruchstein
stand noch bis etwa 1960 dort, wo heute das Haus mit der Nummer
5/7 steht. Vor der Schmiede wuchs ein mächtiger Kastanienbaum,
unter dem Baum war ein Ziehbrunnen. Früher hatten fast alle
Schmieden eine oder zwei Kastanien vor dem Haus stehen, auch
die Schmieden Goeke und Stockmann in Ibbenbüren. Unter der Kastanie
war der Arbeitsplatz des Hufschmieds. Die Pferde standen kühl
im Schatten und es gab dort nicht so viele Mücken, Wespen und
andere Plagegeister.
|
|
|
Quelle: Alt - Ibbenbüren,
Hunsche-Holwitt, Buch von 1980 |
|
|
In der Zeit des Kohlenmangels nach dem II. Weltkrieg
entstand überall am Ausgehenden der Flöze des Schafbergs und
des Dickenbergs aus der Not heraus so mancher Pütt, der nicht
genehmigt war. Das Flöz Dickenberg liegt an der Wilhelmshöhe
dicht unter der Oberfläche in etwa 3 Meter Tiefe. Um nicht entdeckt
zu werden, löste man im Haus ein paar Dielenbretter und legte
einen Schacht an, einen sogenannten "Schwattpütt" und verfolgte
von da aus im Stollenabbau das etwa 40 cm dicke Flöz. Die Kohle
wurde zur Eigenversorgung abgebaut und sie brannte gut im Herd.
Es gab keinen Holz-Ausbau in den Stollen, sondern es wurden
Sicherheitspfeiler aus Kohle stehengelassen. Diese Art des Abbaus
wurde "Fuchsbau" genannt, weil er so verwinkelt war. Noch heute
bilden sich manchmal kleine Löcher, sogenannte Pingen, weil
ein alter Stollen nachgibt. Das genannte Flöz Dickenberg hat
südlich der Siedlung Wiesenerskamp in "Wiethölters Busch" sein
Ausgehendes, das Flöz tritt also an die Erdoberfläche. Auf der
ehemaligen Steinbruchsohle im westlichen Teil von Wiethölters
Busch wurde 1944 von Albert und Josef Schüttken ein alter Kohlenstollen
von 1923 wieder hergerichtet. Er stand im anstehenden festen
Sandstein und ging nach Osten. Der Stollen benötigte im festen
Sandstein keine Zimmerung. Er diente im Krieg als Luftschutzbunker
und hatte ungefähr 25 m Länge, rechts und links waren Bänke
im Stollen. Während der Kohlenknappheit um 1946 kam es überall
in Deutschland zum sogenannten "Kohlenklau". Auch die Bewohner
des Wiesenerskamp wußten sich zu helfen, um an das wertvolle
Brennmaterial zu kommen.
Einige mutige junge Männer sprangen in der Kurve an der Rohmannstraße
auf die langsam fahrende Zechenbahn. Sie warfen in Höhe der
Wilhelmshöhe Briketts und dicke Kohlenbrocken von den Waggons.
Man mußte nur rechtzeitig abspringen, denn bald kam die Gefällestrecke.
Unterhalb vom Lebensmittelgeschäft Biekötter wurde um 1948 auf
der Südseite der Zechenbahnstrecke ein Bahnsteig für die Bergleute
gebaut, die südlich der Zechenbahn wohnten. Dazu hatte führte
die Zechenbahn einen Waggon für Personenbeförderung im Kohlenzug
mit.Gegenüber der alten Schmiede befand sich ein zweiter Steinbruch.
Darin betrieb der Bergmann Karl Schüttken zusammen mit dem Grubensteiger
Paul Teuber eine Pachtgrube. Der Schacht erreichte in nur etwa
3 m Tiefe das Flöz Dickenberg und Schüttken baute dort im Stollenbetrieb
Kohlen ab. Nach Einstellung des Betriebs beantragte der Unternehmer
Wilde aus Rheine mit seinem Kompagnon Teuber bei der Preussag,
im Schacht im Steinbruch weiter Kohle zu fördern. Die Nachbarn
mußten zwecks Genehmigung der Betriebserlaubnis eine Verzichtserklärung
für mögliche Bergschäden durch den Betrieb unterzeichnen. Wilde
besaß sogar schon einen Kompressor für die Arbeit mit dem Bohrhammer.
Ab etwa 1938 transportierte die Preussag mit den Loren einer
Feldbahn Schlammkohle aus der Kohlenwäsche und verkippte den
westlichen Teil des Steinbruchs damit.
Diese Kippstelle hatte eine Länge von etwa 20 Meter. Um 1948
verkaufte der Unternehmer Wilde die Schlammkohle mit Einverständnis
der Preussag und des Eigentümers Biekötter als Brennstoff an
die Zementwerke. Danach wurde der Steinbruch mit Bauschutt verfüllt.
Um die Wohnungsnot in der Nachkriegszeit zu lindern, wurden
für die vielen Vertriebenen, die Wohnungslosen und Ausgebombten
um 1948 von der Stadt Ibbenbüren Unterkünfte errichtet. Die
Bewohner bemühten sich, ihre Situation zu verbessern, indem
sie Hausgärten zur Selbstversorgung anlegten und Kleinvieh hielten.
Fast alle Erwerbsfähigen gingen einer geregelten Arbeit nach.
Die Kinder verlebten hier eine glückliche Kindheit, der Wald
am Rande der kleinen Siedlung war ihr "Abenteuer-Spielplatz".
1955 errichtete die Stadt im Wald hinter dem alten Armenhaus
von 1895 zwei lange Gebäude aus Stein mit Satteldächern. Die
Längsseiten der beiden Häuser lagen zur Straßenseite, an jeder
Giebelseite waren Toiletten-Anbauten. In diesen Häusern befanden
sich einfache Unterkünfte für sozial schwache Familien und Einzelpersonen.
Schon 1982 wurden diese Gebäude wieder abgebrochen, nachdem
die Stadt eine andere Lösung gefunden hatte, die Bewohner der
beiden Häuser unterzubringen. Nach Abbruch dieser Häuser entstanden
hier moderne Neubauten. Heute ist von dem alten Gebäudebestand
nichts mehr vorhanden.
|
|
|
Quelle: Werner Suer |
|
|
|
|
|
|
1955 - Kurz nach dem Krieg entstanden
hier einfache Unterkünfte für Flüchtlingsfamilien
|
Heute (2016) ist hier eine moderne
Siedlung entstanden
|
|
|
Foto : Sammlung Suer - 1955
|
Foto: Werner Suer - 2009
|
|
|
Alt-Ibbenbüren - Bilder Berichte Geschichten
von Friedrich
E Hunsche (Autor), Bernhard Holwitt (Autor)
2. überarbeitete und erweiterte Auflage: Dezember 1980
Ibbenbürener Vereinsdruckerei GmbH 1980
Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
ISBN-10: 3921290031 - ISBN-13: 978-3921290033
Ibbenbürener Vereinsdruckerei GmbH - http://www.ivd.de
|
Alt-Ibbenbüren
|
|
Foto Seite oben - Zeichnung von August Dorfmüller - Ibbenbüren
1844
|
© Förderverein Stadtmuseum Ibbenbüren
e. V. Breite Straße 9 - 49477 Ibbenbüren | |
| |
|