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Kohle |
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100 Jahre Strom aus Ibbenbürener Kohle - Von Karl-Heinz Mönninghoff |
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in der Heimat Zeitung Nr. 58 vom 17.04.2008 - Eine Themenbeilage der Ibbenbürener
Volkszeitung |
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In fast 50 Jahren Material
gesammelt - Autor Karl-Heinz Mönninghoff Als ich damit anfing, die
Geschichte der Stromerzeugung in Ibbenbüren zu erforschen, nahm ich an, dass mit
dem Anfahren des Kraftwerkes „Nike“ im Januar 1913 der Anfang feststand. Ich habe
den Titel „100 Jahre“ gewählt. In der Annahme, dass ich wegen des Titels bis 2012
Zeit haben würde, habe ich sehr gelassen recherchiert. Inzwischen musste ich feststellen,
dass bereits 1905 die staatliche Kohlenzeche in der Nähe des Oeynhausen- Schachtes
eine Stromerzeugung betrieb. Ich meine, dass auch nach dieser Erkenntnis der Titel
richtig ist. |
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Festzustellen bleibt,
dass 1912/13 mit der Stromerzeugung für die öffentliche Versorgung begonnen wurde.
In fast 50 Jahren habe ich Material gesammelt, Erlebnisse festgehalten, Baumaßnahmen
in der Kraftwerksbranche aber auch der öffentlichen Stromversorgung beobachtet
und registriert. Viele Aufzeichnungen der Firmen Preussag, Nike, RWE und VEW haben
mir geholfen, das Gesamtbild der Stromerzeugung in unserer Region abzurunden.
Bedanken möchte ich mich bei Lore Schürmann, Evita Schäfer, Werner Suer und Hans
Röhrs für die Unterstützung, insbesondere für die Bereitstellung von Bildmaterial.
Karl-Heinz Mönninghoff |
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Wir suchten und fanden
die staatliche Steinkohlenzeche“ Von den Anfängen der Energieversorgung
aus dem Jahr 1912 Die Niedersächsische Kraftwerke AG (Nike) wurde am
15. April 1912 in Osnabrück gegründet. Ihr Vorläufer war die Hannoversche Kolonisations-
und Moorverwertungs GmbH in Schwege bei Bohmte (Hakomog). Diese Gesellschaft scheiterte
mit dem Versuch im großen Moor in Schwege, nordöstlich von Osnabrück, Torf als
Brennstoff für die Stromerzeugung einzusetzen. Der ehemalige Landrat des Kreises
Wittlage, Hans von Raumer, berichtet in einer Schrift anlässlich des 40-jährigen
Jubiläums der Nike über die Krise der Hakomog. Er schreibt, dass das Überlandzentralunternehmen
(Stromversorgung) aus der Hakomog ausgegliedert wurde. Die Gesellschaft für elektrische
Unternehmungen (Gesfürel AG Berlin) verpflichtete sich, diesen Bereich mit einem
von ihr geführten Konsortium zu übernehmen und weiter zu entwickeln.
Herr von Raumer befasste sich sehr intensiv mit der Krisenbewältigung und fuhr
deswegen Anfang 1912 nach Berlin. Die Gesfürel sah sich gezwungen, schleunigst
nach einer neuen zuverlässigen und ausreichenden Stromquelle zu suchen. Er berichtet
über das Geschehen während der Verhandlungen bei der Gesfürel Berlin wie folgt:
„Wir nahmen die Karte vor, suchten und fanden als nächste Energiequelle die
staatliche Steinkohlenzeche Ibbenbüren. Sofort wurde telefonisch mit der Zechendirektion
für den nächsten Tag mein Besuch in Ibbenbüren vereinbart. Ich fand dort ungewöhnlich
günstige Vorbedingungen. Die Zeche musste ihren Strombedarf aus einer völlig unmodernen
eigenen Anlage decken, so dass die Errichtung einer neuen Anlage projektiert war.
Die Baukosten waren aber vom Ministerium noch nicht bewilligt. Die Verhandlungen
nahmen einen raschen Fortgang. Durch den am 25./26. März 1912 abgeschlossenen
Vertrag verpflichtete sich die Gesfürel, neben der Zeche ein Elektrizitätswerk
zu errichten, ihren Kohlenbedarf bei der Zeche zu decken und der Zeche ihren Energiebedarf
zu einem äußerst günstigen Preise zu liefern, während der Bergfiskus andererseits
sich verpflichtete, seinen gesamten Kraftbedarf in Form von elektrischer Energie
von der Gesfürel zu beziehen und ihr den Gesamtkohlenbedarf des Kraftwerks zu
liefern.“ Soweit der Bericht eines Zeitzeugen. |
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| Foto
aus dem Ibbenbürener Kraftwerk im Jahr 1922 mit Maschinen, die 1913 in Betrieb
gingen (links). Die Maschine rechts ging 1917 in Betrieb. |
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Gründung der Nike
An der Gründung der Niedersächsischen Kraftwerke AG im April 1912 beteiligten
sich die Gesellschaft für elektrische Anlagen AG Berlin mit 1 998 000 Mark, die
Aktiengesellschaft für Elektrizitätsanlagen Berlin mit 1 000 000 Mark, und zwei
Gründer mit je 1000 Mark. Mit dem Bau eines Kraftwerkes oberhalb des Bahnhofes
in Ibbenbüren wurde sofort begonnen. Die Stelle hatte den Vorteil, dass Kohle
direkt in das Kesselhaus geliefert werden konnte und einen Transport per Bahn
überflüssig machte. |
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Landrat Hans von Rauen
schreibt in seinem Bericht unter anderem: „Man hatte sich nicht vorgestellt, dass
entgegen den Erfahrungen auf anderen Gebieten der Torf um so teurer wird, je mehr
man auf einer Anlage fördern will. Die Tonne kam auf etwa 20 Mark zu stehen; Kohle
vom etwa dreifachen Heizwert kostete damals etwa 11,25 Mark.“ |
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| | Die
Maschine 6 im Kraftwerk Nike aus dem Jahr 1924. |
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Der Standort und der Preis
der Kohle waren zwei Faktoren für die Entscheidung, in Ibbenbüren Strom zu erzeugen.
Am 1. Januar 1913 wurden nach nur neunmonatiger Bauzeit im Kraftwerk Nike in Ibbenbüren
zwei Turbosätze von je 3000 Kilowatt (kW) angefahren. Anfang April und im September
erfolgte die Inbetriebnahme von zwei weiteren Turboaggregaten. Die Gesamtleistung
dieses Kraftwerkes betrug 1913 also 12 Megawatt (MW, 1 MW = 1000 kW). Im Volksmund
hieß das Kraftwerk „die Nike“ oder Überlandzentrale. Das Kraftwerk wurde in den
Jahren 1917 bis 1930 um drei Turbosätze erweitert, und zwar 1917 um 6 MW; 1924
um 12 MW, 1930 um 14 MW. Die Generatoren aus dem Jahr 1913 erzeugten ab dann keine
Wirklast mehr. |
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Nach der Erweiterung durch
den Turbosatz 8 mit einer Leistung von 35 MW im Jahr 1941 stand eine Maschinenleistung
von 67 MW zur Verfügung. Vorrang im Baujahr 1913 mit der Versorgung von elektrischer
Energie hatten: Stadt Osnabrück, die Zementwerke Lengerich, die Textilindustrie
in Nordhorn, der Ibbenbürener Bergbau und das E-Werk Westfalen in Mesum. Inzwischen
wurden mit kommunalen Trägern der Stromversorgung Konzessionsverträge abgeschlossen.
Das waren acht Landkreise in der Provinz Hannover und drei Landkreise in der Provinz
Westfalen. Dafür wurde zunächst ein 30-kV-Netz gebaut. Das E-Werk Westfalen wurde
über eine 50-kV-Leitung versorgt (1 kV = 1000 Volt). Durch diese Verträge bedingt,
aber auch durch den Ersten Weltkrieg, war es für die Nike AG schwierig, die vertraglichen
Verpflichtungen zu erfüllen. 1920 erwarb das Rheinisch Westfälische Elektrizitäts-
Werk AG (RWE) die Aktienmehrheit der Niedersächsischen Kraftwerke AG. Damit übernahm
das in Essen ansässige Unternehmen erstmals die Energieversorgung in Teilen des
heutigen Bundeslandes Niedersachsen. | |
Das Kraftwerk Nike im
Jahr 1956 Blick von der Wilhelmstraße. | |
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Im Verbund mit anderen
Kraftwerken Danach wurde verstärkt das 30-kV-Netz ausgebaut, um die
Stellen der Stromübergabe so auszustatten, dass die Stromversorgung immer und
möglichst störungsfrei gewährleistet war. Bedingt durch die technische Entwicklung
und den steigenden Strombedarf der Industrie musste ab 1922 das 110-kV-Netz ausgebaut
werden. So wurde 1926 eine Verbindung des Torfkraftwerkes Rühle bei Meppen mit
dem Nike-Kraftwerk Ibbenbüren gebaut. |
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Das Umspannwerk in Lüstringen
wurde mit dem in Ibbenbüren verbunden. Es wurde 1920 über Hesseln mit dem Netz
der Pesag in Paderborn verbunden. Eine weitere Verbindung mit Minden wurde außerdem
gebaut, um so den Verbund mit dem Netz der Preag (Preußenelektra) herzustellen.
Die Muttergesellschaft RWE betrieb sehr intensiv den Ausbau eines Verbundnetzes.
So wurde 1930 eine 109 km lange 220-kV-Leitung von Ibbenbüren nach Wesel gebaut.
Seit 1936 ist Ibbenbüren über Lüstringen per 220-kV-Leitung mit dem Spitzenkraftwerk,
dem Koepchenwerk bei Herdecke, verbunden. | |
Alte Postkartenmotive
aus Ibbenbüren zeigen auch die Kraftwerke. | |
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Der 220-kV-Ring wurde
so ausgebaut, dass Kraftwerke und Verbraucherzentren direkt in Verbindung standen.
Das Kraftwerk Nike Ibbenbüren war sowohl mit dem Braunkohlerevier als auch mit
Spitzenkraftwerken und mit anderen Unternehmen wie Vereinigte Elektrizitätswerke
Westfalen (VEW) oder Preußenelektra (Preag) verbunden. Verbundbetrieb
ist die Bezeichnung für die Zusammenarbeit mehrerer miteinander oder untereinander
durch eine Sammelschiene verbundener Kraftwerke undUmspannwerke. Bestimmte Kraftwerke
übernehmen die Grundlast. Bevorzugt eingesetzt werden dafür Laufwasserkraftwerke,
Braunkohle- und Atomkraftwerke. Bildunterschrift:
Leitstand Kessel 4 aus dem Jahr 1964 > | |
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Der Mittellastbereich
wird überwiegend mit Strom aus Steinkohle versorgt. Der Einsatz erfolgt in den
vorausschaubaren Hauptlastzeiten. Die Belastung ist jahreszeitlich sehr unterschiedlich.
Spitzenkraftwerke übernehmen die kurzfristig erforderlichen Zusatzleistungen,
zum Beispiel aus Pumpspeicherund aus Gasturbinenkraftwerken. Durch den
zusätzlichen Ausbau eines 380-kV-Netzes im Bundesgebiet und Westeuropa ist dieser
Bereich immer komplexer aber auch komplizierter und störungsanfälliger geworden.
Festzustellen bleibt aber, dass das westeuropäische Verbundnetz mit dem Zentrum
in Deutschland das sicherste der Welt ist. Gesteuert wird ein solches Verbundnetz
von einer Lastverteilerstelle. RWE unterhält diese Stelle in Brauweiler.
< Bildunterschrift: Blick auf die Ibbenbürener
Kraftwerksanlage 1970.
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Ein Kraftwerk für die
Preussag Der deutsche Steinkohlebergbau plante in den 30er-Jahren,
parallel zum Verbund der Elektrizitäts- Verbundunternehmen (EVU) ein eigenes Netz
zu schaffen. 1937 gründeten die Gesellschaften des Westdeutschen Steinkohlebergbaus,
die Steinkohlen-Elektrizität- Aktiengesellschaft (Steag). Außerdem entstand die
Bergbau- Elektrizität-Verbundgemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts
(BEV). Die Steag übernahm die Geschäftsführung der BEV. |
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Die Steag baute 1937 das
Kraftwerk Kellermann in Lünen und für die Buna-Werke Hüls das Kraftwerk Marl.
Neben dem Betrieb eigener Kraftwerke beteiligte sich die Steag später am Bau weiterer
Steinkohle- Kraftwerke. Bedeutend für Ibbenbüren war, dass die Steag sich zusätzlich
zur Aufgabe gemacht hatte, Zechengesellschaften beim Bau von Kraftwerken zu beraten,
sie zu planen und die Bauleitung zu übernehmen. Außerdem vertrat sie
die Interessen der stromerzeugenden Zechen gegenüber RWE/ VEW. In Essenwurde die
BEV Lastverteilungsstelle eingerichtet. Die Preussag plante in den 30er-Jahren
im Bereich der Schachtanlage von Oeynhausen ein Zechenkraftwerk zu bauen. Vorgesehen
waren 15 MW. Wegen des Zweiten Weltkrieges mussten 1942 die begonnenen Arbeiten
abgebrochen werden. Bildunterschrift:
Das Kohle-Mischhaus und das Förderband zu den Kesselhäusern. > |
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Nach dem Krieg wurden
die Plänewieder aufgegriffen. Wegen des Mangels an elektrischer Energie wurden
die Pläne auf Betreiben der Militärregierung und später der Bundesregierung geändert.
Die nun zu bauenden Kohle-Kraftwerke sollten neben der Eigenversorgung auch elektrische
Energie an die öffentlichen Stromversorger liefern. | |
Die Von-Oeynhausen-Zeche
Ibbenbüren und das Kraftwerk. | |
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Anfang der 50er-Jahre
wurden deswegen Verhandlungen zwischen Steag/BEV einerseits und RWE/VEW andererseits
über einen Verbund der stromerzeugenden und stromverbrauchenden Bergbauunternehmen
und den Netzbetreibern RWE/VEW geführt. Die BEV verzichtete im Rahmen einer Vereinbarung
1951 auf ein eigenes Verbundnetz. RWE/VEW erlaubten dem Bergbau die Überleitung,
also Verbundbetrieb der Zechen untereinander. Außerdem wurden Lieferverträge
zwischen Zechenkraftwerken und den öffentlichen Stromversorgern abgeschlossen;
das waren RWE und VEW. In diesem Rahmen und zu den damals günstigen Bedingungen
plante die Preussag den Bau des Kraftwerkes von Oeynhausen in Ibbenbüren. 1950
konnte das Kesselhaus 1 gebaut werden. Aufgestellt wurde ein Kessel 50 t/h, der
die Dampfversorgung der Zeche übernahm. Das alte Kesselhaus der Von- Oeynhausen-Schachtanlage
konnte außer Betrieb gesetzt werden. |
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Das 92-MW-Kraftwerk aus
dem Jahr 1960. |
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Ballastkohle als Brennstoff
Der eigentliche Kraftwerksbau begann 1951. Der erste Abschnitt umfasste
den Bau von zwei Kesseln mit einer Leistung von je 120 t/h. Diese Kessel versorgten
zwei Entnahme- Turbo-Generatoren von je 21 MW. Außerdem war die Entnahme von 60
t/h Dampf für die Zeche möglich. Die Inbetriebnahme war zwischen Februar und April
1954. Der zweite Bauabschnitt von Februar 1952 bis Januar 1955 umfasste den Bau
eines Kessels mit 200 t/h und einen Turbo-Generator mit 50 MW Leistung. Die Inbetriebnahme
war im Januar 1955. Der Kessel 1 aus dem Jahr 1950 wurde 1956 auf eine Leistung
von 125 t/h umgebaut. Er kam zum Einsatz, wenn Kessel 2, 3 oder 4 nicht zur Verfügung
standen. Damit war ein leistungsfähiges Zechenkraftwerk mit einer Leistung
von 92MW und einer Mitteldruckdampfentnahme von 60 t/h fertiggestellt. Als Brennstoff
kam Ballastkohle, die am Kohlemarkt schwer oder gar nicht abgesetzt werden konnte,
zum Einsatz. Nachdem der Probebetrieb abgeschlossen und sichergestellt war, dass
das Preussag-Kraftwerk den RWE Bereich (insbesondere ehemals Nike) sicher versorgen
konnte, befasste sich RWE mit der Stilllegung des Kraftwerkes Nike Ibbenbüren.
Vom Netz getrennt wurde es 1958. Der Abriss erfolgte in den Jahren danach. Der
100 Meter hohe Kamin wurde im Dezember 1963 gesprengt. Die Nike-Kraftwerksbelegschaft
wechselte zum Preussag- Kraftwerk. Auf dem Gelände des Kraftwerkes Nike steht
heute die Kreissporthalle. Die Umspannanlage 220/110 kV beziehungsweise
30 kV und 10 kV ist erhalten geblieben. In den 60er-Jahren wurde das Industriegebiet
Uffeln, Chemie-Standort, über 110- kV-Leitungen mit der Umspannanlage Nike und
dem Preussag-Kraftwerk verbunden. Die ECI bezog elektrische Energie vom Preussag-Kraftwerk
und vom RWE. |
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Ein „Heller“ für den
Block A Für das Preussag-Kraftwerk Ibbenbüren wurde eine Wasserversorgung
durch den Bau des Wasserwerkes in Dörenthe geschaffen. Für den Prozess der Dampferzeugung
und für das Abkühlenwar der tägliche Bedarf mit 7000 Kubikmeter (cbm) angesetzt.
Das 1953 in Betrieb genommene Wasserwerk hatte zunächst eine Fördermenge von 7500
cbm täglich. Diese Tagesmenge konnte durch die Entnahme von Wasser aus der Glane,
kurz vor der Mündung in die Ems bei Saerbeck, auf 14 300 cbm erhöht werden. Durch
Versickern von Wasser aus der Glane in Dörenthe über sogenannte Horizontalbrunnen
besteht die Möglichkeit, den Grundwasserspiegel in Dörenthe konstant zu halten.
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Von Februar 1965 bis April
1967 konnte als dritter Bauabschnitt Block A erstellt werden. Die Anlage bestand
aus zwei Kesseln mit je 260 t/h und einemTurbogenerator mit einer Leistung von
150 MW. Zum Einsatz kam Ballastkohle wie in der 92-MW-Anlage. Der Ballastgehalt
betrug etwa 30 bis 40 Prozent. Wegen der begrenzten Wasserkapazität des Wasserwerkes
in Dörenthe wurde der Block A mit einer Trockenkühlturmanlage ausgestattet. Das
sogenannte System „Heller“ war für Wärmekraftwerke in wasserknappen Gebieten entwickelt
worden. | |
| | Luftaufnahme
des Kraftwerks aus den 70er-Jahren mit Trockenkühlturm (rechts) und den beiden
Nasskühltürmen. |
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Dieses System wurde in
Rom und Budapest erprobt. Der Einsatz von „Heller“ verteuert allerdings den Erzeugungspreis
pro kW. Das Nasskühlturmverfahren ist kostengünstiger. Das Ziel, weniger Wasser
bei der Stromerzeugung einzusetzen, zeigt sich an folgender Darstellung der Tagesverbräuche
bei Volllast: 92-MW-Werk: Kohle 1400 t, Dampf 10 500 t (80 Kilopond, kp), Wasser
7000 cbm (Nasskühlturm); 150-MW-Block: Kohle 1700 t, Dampf 12 200 t (200 kp),
Wasser 200 cbm (Trockenkühlturm). |
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20 000 Unterschriften
für Block B Am 27. November 1968 entstand durch die Neuordnung des
Westdeutschen Steinkohlebergbaus die Ruhrkohle AG (RAG). Die Kraftwerke der Ruhr-Altgesellschaften
gingen in den Besitz der Steag über. Die Steag wurde Tochter der RAG. Das Kraftwerk
Ibbenbüren blieb im Eigentum der Preussag. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Stromerzeugung
in Zechenkraftwerken staatlich nicht gefördert. Anfang der 70er-Jahre begannen
Planungen für einweiteres, größeres Kraftwerk in Ibbenbüren. Es war erkennbar,
dass die bis dahin noch marktgängigen Kohlesorten zukünftig sehr schwer zu verkaufen
sein würden. 1974 wurde der sogenannte „Jahrhundertvertrag“ zwischen der Vereinigung
Deutscher Elektrizitätswerke und dem Gesamtverband des Deutschen Steinkohlebergbaus
unterzeichnet. Um Genehmigungen für ein 700-MW-Kraftwerk zu bekommen, stand die
Steag nichtmehr zur Verfügung. Das Kerngebiet der Steag war die Stromerzeugung
mit Ruhrkohle in eigenen Kraftwerken. |
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Deswegen mussten die Ibbenbürener
Interessen von Ortsansässigen verstärkt vertreten werden. Die in Hannover ansässige
Preussag war dazu nur begrenzt in der Lage und entsprechend unzureichend an Ibbenbüren
interessiert. Die Bevölkerung im Tecklenburger Land, die politischen Vertreter,
die Gewerkschaften, die Belegschaft und die Presse haben alle Aktionen pro Kraftwerk
Ibbenbüren unterstützt. Die Junge Union Ibbenbüren sammelte im Rahmen
einer Bürgerinitiative 20 000 Unterschriften für den Bau des Kraftwerkes. Diese
wurden 1978 an denMinisterpräsidenten des Landes Nordrhein- Westfalen, Heinz Kühn,
übergeben. | | Der
Neubau des Kühlturms im Jahr 1982. | |
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Im Juli 1981 verständigten
sich RWE und Preussag darauf, in Ibbenbüren einen steinkohlegefeuerten Block mit
einer installierten Leistung von 770 MW zu bauen. Dies war zur langfristigen Sicherung
der Arbeitsplätze im Ibbenbürener Bergbau eine wichtige Entscheidung. Das neue
Kraftwerk als Gemeinschaftsanlage sollte zu 76 Prozent im Besitz des RWE sein
und zu 24 Prozent der Preussag gehören. Die Verfeuerung der niederflüchtigen Kohle
war insbesondere wegen der Umweltschutzauflagen eine Herausforderung an die Kraftwerkstechnik.
Die Beschaffung von Wasser für den Kühlkreislauf war schon bei der Errichtung
von Block A ein Problem. Das Trockenkühlverfahren nach Professor Heller hätte
die Erzeugungskosten wesentlich erhöht. Der Bauherr entschied sich für das Nasskühlturmverfahren.
Deswegen wird das notwendige Kühlwasser dem Dortmund-Ems-Kanal oberhalb der Schleuse
Münster entnommen. Die dafür erforderliche 38 km lange Fernleitung wurde durch
die Bauernschaft Wechte bei Brochterbeck verlegt.Wechte ist schon aus der Nike-Zeit
seit 1926 Wasserwerksstandort. Um den Grundwasserspiegel auf der richtigen
Höhe zu halten, besteht die Möglichkeit, bei Bedarf das Wasser aus Münster dort
zu versickern. Diese Maßnahme dient der öffentlichen Wasserversorgung. Hauptzweck
der Leitung ist die Sicherung der Kühlwasserversorgung des Kraftwerkes Ibbenbüren.
Der Umweg über Wechte war eine Auflage bei der Bewilligung durch den Regierungspräsidenten
in Münster. |
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Das neue Kraftwerk
wird angefahren Am 1.August 1981 wurde mit den Bauarbeiten von Block
B begonnen. Am 19. August 1985 wurde das Kraftwerk angefahren. Die Anlage besteht
aus einem Kessel mit einer Leistung von 2160 t/h und einem Turbo- Generator von
770 MW. Weil das seit 1954 in Betrieb befindliche 92-MW-Kraftwerk nach Inbetriebnahme
von Block B stillgelegt werden sollte, musste für die Versorgung der Zeche mit
Strom und Dampf eine eigene Anlage gebaut werden. Die Preussag entschied sich
für den Bau eines Grubengaskraftwerkes. Die EVA (Energieversorgungsanlage Von-
Oeynhausen) besteht aus zwei Naturumlaufkesseln und einer Mitteldruckdampfturbine.
Sie erzeugt 27 MW und versorgt außerdem die Zeche mit 60 t/h Dampf. |
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Nach der Inbetriebnahme
der EVA konnte das 92-MW-Ballastkraftwerk stillgelegt werden. Ein Großteil des
Werkes wurde abgerissen. In dem Maschinenhaus befindet sich heute das Bergbaumuseum.
Die Stilllegung von Block A und der Zurückbau erfolgte 1987. Die Wasserwerke
in Brochterbeck- Wechte, bis 1966 im Eigentum von RWE/Nike und das in Dörenthe
mit der Station Glane in Saerbeck, früher im Besitz der Preussag, wurden inzwischen
vom Wasserversorgungsverband Tecklenburger Land übernommen. Beide Werke sind heute
Bestandteil der öffentlichen Wasserversorgung. | |
| Bildunterschrift:
Das Kraftwerk Ibbenbüren, einst Block B genannt, wird von der RWE Power AG
betrieben. Hier wird Ibbenbürener Steinkohle verfeuert. |
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1998 wurde die DSK, Deutsche
Steinkohle AG, gegründet. Seitdem wird die Ibbenbürener Zeche nicht mehr von der
Preussag sondern von der DSK Anthrazit Ibbenbüren GmbH betrieben – ab 1. Januar
2008 RAG Anthrazit Ibbenbüren GmbH. Die Preussag, inzwischen TUI, hat es durch
den Verkauf des 24-Prozent-Anteils möglich gemacht, dass heute der Bock B zu 100
Prozent im Eigentum von RWE Power AG ist. Durch die Entwicklung der Energiepreise
und die staatliche Förderung ist die Stromerzeugung in Ibbenbüren für die Zeche
wichtig und für RWE gewinnbringend. Interessant ist, dass der Block B nicht nur
im Mittellastbereich sondern auch im Grundlastbereich eingesetzt wird. Durch diese
Maßnahme erhöht sich der Verbrauch an Steinkohle erheblich. Seit fast 100
Jahren wird in Ibbenbürener Kraftwerken elektrischer Strom aus Kohle erzeugt.
Die Besitzverhältnisse haben sich mehrmals verändert. Festzustellen bleibt, dass
durch den Einsatz von Kohlekraftwerken über viele Jahre Bergbauarbeitsplätze gesichert
worden sind. Ob das weiterhin so bleibt, ist eine Frage an Wirtschaft und Politik. |
| Kraftwerksgeschichte
in Bildern |
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Im Juni 1982 besichtigte der Ibbenbürener
Bauausschuss die Kraftwerk-Baustelle. |
| Blick
auf den neuen Kraftwerksbau im Oktober 1982. In der Mitte die beiden Fahrstühle. |
186 Tonnen schwer: Der
Speisewasserbehälter für das neue Kraftwerk wird angeliefert – ein Foto aus
dem Jahr 1982. |
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| Abbruch
des alten Trockenkühlturms des Kraftwerkes im Dezember 1988. |
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Die Entwicklung der
Stadtwerke Fast zeitgleich mit der Stromversorgung in Ibbenbüren
und deren Ausbau entwickelten sich die Stadtwerke Ibbenbüren. Ein Gaswerk mit
Eigenerzeugung nach dem sogenannten Wassergasverfahren wurde 1900 in der Nähe
des Mühlenteiches gebaut. Etwa 1907 erfolgte die Umstellung auf Kohlebasis. 130
Gaslaternen wurden installiert und mit Gas betrieben. Etwa 18 000 cbm Gas konnten
jährlich über 300 Hausanschlüsse mit 380 Zählern an Kunden in Ibbenbüren geliefert
werden. |
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Die Zahl der Gaskunden
stieg auf über 400, insbesondere durch die Besiedlung des Ibbenbürener Stadtteils
Grone im Jahr 1927. Die Stromversorgung der Stadt Ibbenbüren ist per Konzessionsvertrag
am 15. Januar 1914 mit der Nike vereinbart worden. Durch denErsten Weltkrieg verzögerte
sich allerdings der Bau des Versorgungsnetzes. Über eine 10-kV-Erdleitungwurden
zwei Trafostationen, an der Großen Straße bei Agnischock und an der Ecke Münsterstraße/Bachstraße,
mit Strom versorgt. Das Niederspannungsnetz ab Trafo wurde von den Stadtwerken
Ibbenbüren gebaut und unterhalten. Bildunterschrift:
Luftaufnahme der Stadtwerke mit Gaswerk und dem Schlachthof in der Nähe des Mühlenteiches
(rechts) aus dem Jahr 1952. Im Hintergrund die alte Badeanstalt. Heute ist dort
der Bauhof. | |
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Die Landgemeinde mit den
Bauernschaften wurde direkt von der Nike beliefert. Vielfach mussten für die Errichtung
eines Niederspannungsnetzes und die Installation von Trafostationen Genossenschaften
gegründet werden. Die Konsumenten mussten dann einen Genossenschaftsanteil erwerben,
um einen Hausanschluss zu bekommen. |
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Das Wasserwerk Dörenthe wurde 1953 gebaut.
Es versorgte neben dem Kraftwerk auch die Stadt Ibbenbüren mit Wasser.
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| Das
Wasserwerk Lehen (gegenüber der Sommerrodelbahn) wurde 1936 von den Amts-
und Stadtwerken gebaut. | Der
Hochbehälter aus dem Jahr 1936 an der Osnabrücker Straße, der vom Wasserwerk
Lehen gespeist wurde. |
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Die Wasser- und Energieversorgung
In den 20er-Jahren wurde in der Stadt und auch in der Landgemeinde Ibbenbüren
überlegt, wie man die Bevölkerung zentral mit Wasser versorgen könne. Durch die
Übernahme der Wasserversorgungsanlage des Hectorschachtes der Zeche Perm von der
Georgsmarienhütte konnte 1929 der Ortsteil Laggenbeck mit Wasser versorgt werden.
Die inzwischen zuständigen Amts- und Stadtwerke Ibbenbüren veranlassten Bohrungen.
Als Ergebnis wurde festgestellt, dass aus der sogenannten Osningrinne im Teutoburger
Wald gegenüber der Sommerrodelbahn eine für Ibbenbüren ausreichende Wassermenge
entnommen werden konnte. An der Stelle wurde 1936 das Wasserwerk Lehen gebaut.
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Um alle Höhenlagen mit
Wasser versorgen zu können, wurde das Wasser vom Pumpwerk Lehen zum Hochbehälter
in der Nähe der Kreuzung B 219/B 65 gepumpt. In den ersten Jahren nach der Inbetriebnahme
waren etwa 1700 Haushalte Kunden des Wasserwerkes Ibbenbüren. Den Schafberg und
teilweise den Dickenberg versorgte die Preussag mit Wasser. |
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| | Foto
aus den 50er-Jahren: Überschwemmung in der Münsterstraße. Im Hintergrund der
Trafo Bachstraße. |
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Hugo Strothmann hat in
seinem Werk „Wasserversorgung im Tecklenburger Land einst und heute“ die Geschichte
der Wasserversorgung sehr genau beschrieben. 1959 hat der Wasserversorgungsverband
Tecklenburger Land das Wasserversorgungsnetz Ibbenbüren und das Wasserwerk Lehen
übernommen. Seitdem versorgten die Stadtwerke Ibbenbüren GmbH den Bereich der
Stadt weiterhin mit elektrischer Energie und mit Gas. 1969 erfolgte die Umstellung
von Kohlegas auf Flüssiggas. Per Tank wurde ein Gas-Luft-Gemisch angeliefert und
über das bestehende Netz an Kunden weitergeleitet. Die Gasleuchten mussten durch
elektrische Laternen ersetzt werden. Der Konzessionsvertrag mit dem RWE
über Stromlieferung lief 1957 aus. Bis 1971 stritten die Stadtwerke und RWE Betriebsverwaltung
Nike über die Form der Vertragsverlängerung. Durch Beschluss des Rates der Stadt
am 24. März 1971 wurde dieser Zustand beendet. RWE übernahm die Stadtwerke Ibbenbüren
GmbH, im Gegenzug erwarb die Stadt RWE-Aktien. Die RWE-Betriebsverwaltung Nike
übernahm per B-Vertrag die Stromversorgung. Auch die bestehende Gasversorgung
wurde vom RWE weiter betrieben. Anfang der 70er-Jahre begann RWE mit dem Ausbau
eines Ferngasnetzes. Nach der kommunalen Neuordnung 1975 entstand aus den zwei
politischen Gemeinden, Stadt und Land Ibbenbüren, die neue Stadt Ibbenbüren. RWE
baute seitdem in Ibbenbüren die Gasversorgung aus. |
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| Ein
Blick auf die gesamte Anlage mit den 92-, 150- und 770-MW-Kraftwerken. |
| Fotos:
Karl-Heinz Mönninghoff - IVZ/IVD-Archiv - Archiv Stadt Ibbenbüren - Archiv RWE
- Werner Suer - Hans Röhrs Kathrin Degrell |
Foto oben - Ein Blick auf die gesamte Anlage mit
den 92-, 150- und 770-MW-Kraftwerken |
© Förderverein Stadtmuseum Ibbenbüren
e. V. Breite Straße 9 - 49477 Ibbenbüren |
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