Mitten in Alt-Ibbenbüren, zwischen Brunnenstraße und alten Fachwerkhäusern, stand einst ein Gebäude, das kleiner war als manche Gartenhütte – und dennoch stadtweit bekannt wie ein bunter Hund: das „Kittken Bumm“, auch liebevoll (oder respektvoll) „Janning“ genannt. Wer dort landete, wusste: Dies würde eine Geschichte geben, die sich im Ort schnell herumspricht.
Ein Gefängnis von der Größe einer Abstellkammer – aber voller Geschichten
Das Gefangenenhaus war nur etwa vier Mal vier Meter groß. Doch seine Bedeutung war umso größer. Auf alten Flurkarten taucht es bereits 1823 auf; gleich dahinter lag das städtische Armenhaus, in dem später der bekannte Martin Lause wohnte und seine kleine Metzgerei betrieb – ein echtes Original, das ebenfalls zur lokalen Atmosphäre beitrug. So warb er mit dem Spruch „von hinten gesetzlich geschützt“, was sich auf das dahinter liegende Gefängnis bezog.
Der „Janning“ war Ibbenbürens polizeiliches Gewahrsam, aber die Bevölkerung nannte es mit einem Augenzwinkern das „Hotel Janning“. Und tatsächlich wurde dort so mancher Gast „einquartiert“, der die Nacht auf etwas unkonventionelle Weise verbrachte.
Szenen, wie sie nur das alte Ibbenbüren schrieb
Die Geschichten, die sich um das Kittken ranken, sind so lebendig, dass man glaubt, direkt daneben zu stehen. Einige der schönsten Anekdoten:
Die Schubkarren-Staatskarosse
Ein stark angeheiterter Mann wollte lieber draußen biwakieren als im warmen Zimmer schlafen. Die Nachtwächter hatten genug Überredungskunst probiert – und holten schließlich das einrädrige „Dienstfahrzeug“: eine Schubkarre. In dieser Staatskarosse wurde der Gast zum „Hotel“ chauffiert, wo er seinen Rausch ausschlief.
Die Geister in der Ofenpipe
An Karneval gelang einigen Internierten eine kreative Idee: Sie schraubten die Ofenpipe ab und erzeugten mit ihr geheimnisvolle „Geistertöne“. Nur hatten sie dabei vergessen, dass der Ofen ohne Rohr nicht heizt. Schon bald wurde aus dem Spektakel ein klägliches Heulen und Zähneklappern.
Schwedische Gardinen und teure Hotelrechnungen
Wer des Nachts zu laut feierte, fand sich schnell hinter den berüchtigten „schwedischen Gardinen“ wieder. Und die Stadt vergaß nicht, später eine entsprechende „Hotelrechnung“ zuzustellen – sehr zum Erstaunen der unfreiwilligen Gäste.
Wilde Nächte – und wilde Männer
Manchmal wurde es im Janning richtig turbulent: Ein Mann zertrümmerte alles, was sich bewegte, riss Handschellen auseinander und zerriss sogar die Zwangsjacke wie Papier. Erst völlige Erschöpfung und ein herbeigerufener Arzt brachten Ruhe in die Zelle.
Ein Ort, der mehr war als ein Gefängnis
So ernst es in manchen Situationen wurde: Das „Kittken Bumm“ war ein Ort, der von den Ibbenbürenern mit Herzlichkeit, Humor und Heimatgefühl betrachtet wurde. Kaum ein anderes Gebäude prägte das Alltagsleben so sehr – nicht, weil es schön war, sondern weil es voller Geschichten steckte.
Ein neues Zuhause – und ein Abschied
Später zog das Gewahrsam von der Brunnenstraße in einen Anbau an der ehemaligen Amtssparkasse, nahe der Polizeiwache. Doch der Umzug konnte dem alten „Janning“ seinen legendären Status nicht nehmen. Der Name „Kittken Bumm“ blieb erhalten.
Gefängnis an der Alten Wache
Wer heute entspannt vom Trubel der Großen Straße Richtung Neumarkt schlendert, geht meist achtlos an einem kleinen Straßenschild vorbei: „Alte Wache“. Kaum jemand ahnt, dass hier eine Polizeiwache und ab 1905 das „neue“ Gefängnis war, es wurde auch gern „Hotel Matzner“ genannt. Unmittelbar über dem Gefängnis wohnte die Familie des Polizei-Obermeisters Matzner. Vater Matzner hielt unten Ordnung, während seine Familie oben wohnte – und gleichzeitig die Aufgabe hatte, die „Gäste“ des Hauses zu versorgen.
Das kleine Gefängnis an Großen Straße 24a bestand aus nicht viel mehr als drei Zellen, einem schmalen Gang und einem einfachen Versorgungsraum. Die Ausstattung der Zellen war spartanisch: Holzpritschen, Decken, sonst fast nichts. Nicht einmal ein Ofen sorgte für Wärme. Wer fror, fror eben. Gefegt wurde von Hand – die Insassen mussten die Zellen selbst sauber halten. Ein brauner Emaille-Essensnapf ist erhalten und heute im Stadtmuseum zu sehen – stummer Zeuge eines Alltags, der für viele alles andere als alltäglich war.
Und der Blick nach draußen? Die nach außen gewölbten Gitterkörbe vor den Fenstern ließen nur einen beschränkten Blick zu.
Wer im Kittken landete …
Das „Kittken-Bumm“ war kein Ort für Schwerverbrecher. Die meisten, die hier nächtigten, waren:
- Obdachlose, die ein trockenes Nachtquartier suchten
- kleine Ganoven, die nach einem oder wenigen Tagen weiter ins Amtsgerichtsgefängnis verlegt wurden
- nur in seltenen Fällen wurden schwierige Fälle nach Tecklenburg ans Burgtor-Gefängnis oder nach Münster gebracht
Aus Überlieferungen von 1925 wissen wir genau, wie ein Tag im Kittken geschmeckt hat:
- Mittags: Nudelsuppe – allerdings ohne Fleischeinlage
- Abends: Wasser und trockenes Brot
- Selten: Ein wenig Butter als kleiner Luxus
Ein Gefängnis mit Hausanschluss – pragmatisch, eng, manchmal hart, aber auch mit einem Hauch von menschlicher Nähe.
Geradeaus sieht man das Gebäude des ehemaligen Gefängnisses Kittken Bumm (im EG mit den 2 Türen). Links im Bild sieht man die Rückseite der „Sparkasse des Amtes Ibbenbüren“ (später Bitter – heute H & M) an der Großen Straße. Das Gebäude des ehemaligen Gefängnisses wurde 1958 von Malermeister Franz Falke gekauft und umgebaut. Der Blick geht nach Norden.
Die Gefängniszellen im Amtsgericht
Das Amtsgericht an der Münsterstraße 35 stammt aus dem Jahr 1881. Es ist aus roten Klinkern und Ibbenbürener Sandstein gebaut. Hier befinden sich einige Zellen, die heute noch zur Vorführung von Festgenommenen und zu Gerichtsterminen genutzt werden.






