Der Kriminalfall Maria Wientjes (1902)
Von Werner Suer
Von Werner Suer
Im Sommer 1902 erschütterte ein grausamer Mordfall die beschauliche Gemeinde Dörenthe in Westfalen: Die 13-jährige Maria Wientjes wurde brutal ermordet. Ein verwittertes Sandsteinkreuz am Dörenther Berg erinnert noch heute an das tragische Verbrechen.
Maria Wientjes, geboren am 6. November 1889, bereitete sich im Sommer 1902 mit einer Gruppe von Freundinnen in Ibbenbüren auf ihre Erstkommunion vor. Nach der Rückkehr von der Vorbereitung trennte sie sich kurz von ihren Begleiterinnen, um Einkäufe zu erledigen. Diese scheinbar harmlose Verzögerung wurde ihr zum Verhängnis. Auf dem Heimweg wurde sie von einem Unbekannten angegriffen, vergewaltigt und mit über 40 Messerstichen ermordet. Die Tat geschah zwischen 16 und 17 Uhr. Eine Zeugenaussage beschrieb eine verdächtige Person: ein Mann zwischen 30 und 35 Jahren, mittelgroß, ohne Bart, mit dunkler Joppe und großem braunen Hut.
Die Nachricht von dem Mord verbreitete sich rasch und versetzte die Region in Angst und Schrecken. Fünf Tage später wurde Maria Wientjes unter großer Anteilnahme auf dem Friedhof von Ibbenbüren beigesetzt. Die Polizei stand unter enormem Druck, den Täter zu fassen. Eine Belohnung von 1000 Mark wurde für Hinweise ausgesetzt. Mehrere Verdächtige wurden in verschiedenen Orten Westfalens festgenommen, doch alle Spuren erwiesen sich als falsch.
Erst im Mai 1906, fast vier Jahre nach der Tat, wurde der wahre Mörder identifiziert: Ein 21-jähriger Bergmann aus Ibbenbüren, der in einem nahegelegenen Steinbruch arbeitete. Er war bereits durch andere Angriffe auf Frauen aufgefallen. Der entscheidende Durchbruch kam durch einen Ortstermin am Tatort. Unter dem Druck der Ermittler und der belastenden Erinnerungen gestand der Mann die Tat und versuchte sogar zu fliehen, scheiterte jedoch.
Am 19. Oktober 1906 wurde er vor dem Landgericht Münster verurteilt. Da die Staatsanwaltschaft den Mordvorwurf nicht weiter verfolgte, entging er der Todesstrafe. Stattdessen erhielt er eine Strafe von 15 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverlust und polizeiliche Aufsicht. Allerdings verbüßte er nur neun Jahre seiner Strafe, da er 1914 zur Frontbewährung entlassen wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg war er ein freier Mann und verließ Ibbenbüren.
Der Fall Maria Wientjes bleibt eines der aufsehenerregendsten Verbrechen in der Geschichte Westfalens. Das Kreuz am Dörenther Berg erinnert bis heute an das unschuldige Opfer eines furchtbaren Verbrechens.