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Zeichnung von August Dorfmüller - Ibbenbüren 1844
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  Kriminalfall "Maria Wientjes" von 1902 - Von Werner Suer  
    
spacer spacer Aus "Tatort Dorf" – Serie im Landwirtschaftlichen Wochenblatt
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spacerGrausiger Mord am Kirchweg

Im Sommer 1902 sorgte die Ermordung eines 13-jährigen Mädchens bei Dörenthe für Entsetzen in Westfalen.
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In einem Waldstück am Dörenther Berg, unweit von Ibbenbüren (Kreis Steinfurt), steht ein verwittertes Kreuz aus Sandstein. Es erinnert an einen Mordfall, der 1902 Familie, Freunde und Nachbarn in der Bauerschaft Dörenthe erschütterte und ganz Westfalen bewegte.

Auf dem Sockel des Kreuzes steht zu lesen: „Grausam gemartert erlitt hier den Tod das unschuldige Comunionkind Maria Wientjes, geb. 6. Nov. 1889, gest. 2. Aug. 1902.“ Damals, Anfang August 1902, sprach die Staatsanwaltschaft in Münster sofort davon, dass das knapp 13-jährige Mädchen einem „Sittlichkeitsverbrechen und Mord“ zum Opfer gefallen sei. Doch wer war der Täter? Die Polizei ermittelte fast vier Jahre in halb Westfalen, ehe sie den Fall lösen konnte.

Dieses Steinkreuz erinnert an die Tat von 1902 – es steht unweit des Tatortes im Waldstück am Dörenther Berg, in der Nähe des heutigen Hermannsweges. Foto Suer
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spacerDieses Steinkreuz erinnert an die Tat von 1902 – es steht unweit des Tatortes im Waldstück am Dörenther Berg, in der Nähe des heutigen Hermannsweges. Foto Suerspacer

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Aus der Ruhe gerissen

Die Tat hatte die beschauliche Bauerschaft Dörenthe im August 1902 aus ihrem sommerlichen Alltag gerissen. Die meisten Familien lebten damals, in der „guten alten Zeit“, von Landwirtschaft. Einige wenige Männer verdienten ihr Geld in den benachbarten Kalkgruben oder fuhren als Bergleute in den Kohlebergwerken bei Ibbenbüren ein. Die Bevölkerung Dörenthes war überwiegend katholischen Glaubens. Eine Kirche gab es aber nicht. So musste sie sich zu Fuß oder per Pferdekutsche sonntags auf den Weg machen: entweder ins nahe Brochterbeck, nach Saerbeck – oder auch, was durchaus häufig vorkam, „einmal über den Berg“ nach Ibbenbüren.

Diesen Kirchweg ging im Sommer 1902 auch das spätere Mordopfer Maria Wientjes, gemeinsam mit einer Gruppe befreundeter Mädchen. Sie bereiteten sich in Ibbenbüren auf das Fest der Kommunion vor, das damals noch im Alter von 13 bis 14 Jahren gefeiert wurde. Die Mädchen kehrten am Nachmittag heim. Nach Berichten von Augenzeugen soll Maria Wientjes noch etwas eingekauft haben. Die anderen waren schon vorgegangen „auf dem Kirchwege, der von Ibbenbüren auf das Gut Grone über den Berg nach der Ziegelei des Colonen Storck in Dörenthe führt“, wie die Staatsanwaltschaft später den Fußweg der Mädchen beschrieb. Die Kinder wollten an einer Stelle des Weges auf Maria Wientjes warten. Doch das ging aus unbekannten Gründen schief – und wurde der knapp 13-Jährigen zum Verhängnis.

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Am Dörenther Berg traf sie auf den Mann, der sie vergewaltigte und anschließend mit einem Messer brutal ermordete. Angeblich soll er 40-mal auf sie eingestochen haben. „Die Tat muß in der Zeit zwischen 4 und 5 Uhr nachmittags geschehen sein“, teilte die Staatsanwaltschaft Münster wenige Tage später mit. Und weiter: „Gegen 3 Uhr ist nicht weit vom Tatorte eine Person gesehen worden, die vielleicht zu der Tat in Beziehung steht. Diese Person wird beschrieben: Alter 30 bis 35 Jahre, mittelgroß, ohne Bart, dunkle Joppe, großer brauner Hut.“ Fünf Tage später, am Morgen des 7. August 1902, wurde Maria Wientjes auf dem Friedhof in Ibbenbüren beigesetzt. Aus dem weiten Umkreis waren die Menschen zusammengekommen, um ihre Anteilnahme zu zeigen. Selbst die Tageszeitung berichtete. Sie sprach von einem „überaus zahlreichen Grabgeleite“ und einer „innigen Theilnahme, welche das herbe Geschick der schwergeprüften Familie bei allen Bewohnern von Stadt und Land hervorgerufen hat“.

Doch noch immer war der „Urheber all dieses Jammers“, von dem der Zeitungsbericht sprach, nicht ermittelt. Die Polizeibehörden standen unter Druck. „Zur Beruhigung der Bevölkerung namentlich in den Bauerschaften wäre nichts sehnlicher zu wünschen als eine baldige Festnahme des Täters“, hieß es in dem Bericht weiter. Für Hinweise, die zur Ermittlung des Mörders führten, hatten Polizei und Staatsanwaltschaft Münster 1000 Mark ausgesetzt – damals eine stattliche Summe.

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Viele Verdächtige

Eine Frau war am 2. August unweit des späteren Tatortes von einem Unbekannten belästigt worden. Sie hatte sich seiner Angriffe erwehren können und galt nun als Hauptzeugin. Wenig später musste sie nach Rheda im östlichen Münsterland reisen. Dort glaubten die Behörden, den Mörder des Mädchens gefasst zu haben. In Rheda wurde die Zeugin mit ihm „confrontirt“ , wie die Zeitung ihre Leserschaft informierte. Und weiter: „Ferner wird aus dem Kirchspiel Epe berichtet, dass am Samstag zwei Mädchen von einem Strolche angefallen und misshandelt worden sind, von dem man annimmt, dass er mit dem gesuchten Mädchenmörder identisch ist.“

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Der Täter war nicht weit

Ähnliche Meldungen trafen aus Greven und Hoya ein. Doch sie alle entpuppten sich allesamt als „Fehlanzeige“. Auch in Losser, einem grenznahen niederländischen Dorf, glaubten manche, den mutmaßlichen Mörder aufgespürt zu haben. Diese Meldung, so ließ die Staatsanwaltschaft Münster mitteilen, beruhe „überhaupt auf Unwahrheit“.
Erst im Mai 1906, fast vier Jahre nach der Tat, wurde der Täter aufgespürt: nicht in Hoya, nicht in Losser und auch nicht in Rheda, sondern nebenan, in Ibbenbüren. Es handelte sich, wie der Ibbenbürener Heimatforscher Werner Suer und der Remagener Kriminalhistoriker Udo Bürer recherchiert haben, um einen zur Tatzeit 21-jährigen unverheirateten Bergmann, der unweit des Tatortes in einem Steinbruch beschäftigt war. Die Ermittler hatten dem Mann zuvor bereits andere Überfälle rund um Ibbenbüren nachweisen können – Raubüberfälle jeweils auf Frauen. Der münsterische Untersuchungsrichter Dr. Gerstein hatte daraufhin eine Verbindung zu dem Mordfall Wientjes vermutet und einen Ortstermin in dem Waldstück bei Dörenthe anberaumt.
Das muss in und um Ibbenbüren vorzeitig bekannt geworden sein. Als der Zug aus Münster einrollte, stand dem Täter und seinen polizeilichen Begleitern „eine sehr zahlreiche Menschenmenge“ entgegen, wie es später in einem Zeitungsbericht heißt. Am Tatort angelangt, hielt der Verdächtige dem Druck der Ermittler und der Last der Erinnerung nicht mehr stand. Er unternahm sogar noch einen Fluchtversuch – und scheiterte. Jetzt erst offenbarte er weitere Taten, darunter auch den Mord an der 13-Jährigen.

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Urteil in Münster

„Fast wäre die Mordtat ungesühnt geblieben, denn die vorliegenden Verdachtsmomente hätten nie der Behörde genügendes Material zur Erhebung der schweren Anklage gegeben“, heißt es später in einem Bericht über den Prozess, der am 19. Oktober 1906 vor dem Landgericht in Münster stattfand. Der Täter entging nur hauchdünn der Todesstrafe, weil die Staatsanwaltschaft den Vorwurf des Mordes nicht weiter verfolgt hatte. Verurteilt wurde er am Ende „nur“ wegen Totschlags, Mordversuchs und „räuberischer Erpressung in Zusammenhang mit Notzucht“. Er wurde mit 15 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverlust und „Stellung unter Polizeiaufsicht“ bestraft. Von der Haftzeit soll der Täter, wie Werner Suer herausgefunden hat, nur neun Jahre abgesessen haben. Bei Kriegsbeginn im Sommer 1914 soll der Mann zur „Frontbewährung“ entlassen worden sein. Nach Ende des Ersten Weltkrieges kam er wohlbehalten zurück. Seine Strafe galt damit als verbüßt. Er war ein freier Mann, lebte aber nicht mehr lange in Ibbenbüren, sondern zog an einen anderen Ort.
Gisbert Strotdrees

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Beitrag mit freundlicher Genehmigung des Landwirtschaftlichen Wochenblattes Westfalen-Lippe

http://www.wochenblatt.com
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spacer Denkmalschutz/Denkmalpflege in Ibbenbüren - Baudenkmäler - Grabstellenspacer


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Gedenkkreuz (sog. Mordkreuz) Grabstelle Maria Wientjes
 Gedenkkreuz (sog. Mordkreuz) Grabstelle Maria Wientjes
Adresse: Brumleyhöhe/Hermannsweg
Gemarkung - Flur - Flurstück - Ibbenbüren - 65 - 368
Inventar-Nr. A 39 - eingetragen am 30.12.1985
Datierung 1902 - Schutzumfang komplett
Bauwerksklassen - Objekt der Volksfrömmigkeit
Foto: Brigitte Striehn
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spacerGedenkkreuz (sog. Mordkreuz) Grabstelle Maria Wientjes

Grausam gemartert erlitt hier den Tod das unschuldige Comunionkind
Maria Wientjes
geb. 6. Nov. 1889
gest. 2. Aug. 1902
Lasset uns beten.
Vater unser etc. Gegrüsset etc.
Mein Jesus. Barmherzigkeit!
R. I. P.

Das Gedenkkreuz (sog. Mordkreuz) trägt auf dem Sockel folgende Inschrift: >



Grausam gemartert
erlitt hier den Tod
das
unschuldige Comunionkind
Maria Wientjes
geb. 6. Nov. 1889
gest. 2. Aug. 1902
Lasset uns beten.
Vater unser etc. Gegrüsset etc.
Mein Jesus. Barmherzigkeit!
R. I. P.

spacerWebseite - Denkmalschutz/Denkmalpflege in Ibbenbüren
http://www.stadtmuseum-ibbenbueren.de/baudenkmaeler.htm
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spacer Links zum Thema - Kriminalfall "Maria Wientjes" - Dörenthe 1902

spacerSühnekreuze.de http://www.suehnekreuz.de/nrw/doerenthe.htm
spacerSühnekreuze.de http://www.suehnekreuze.eu/html/body_doerenthe.html
spacerSühnekreuze-Kreuzsteine-Mordsteine http://www.kreuzstein.eu/
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spacerIVZ vom 17. 08. 2002 http://archiv.ivz-aktuell.de/index4.php?id=26893&pageno=20
spacerIVZ vom 05. 08. 1902http://archiv.ivz-aktuell.de/index4.php?id=610&pageno=3
spacerIVZ vom 17. 08. 1902http://archiv.ivz-aktuell.de/index4.php?id=617&pageno=3
spacerIVZ vom 21. 08. 1902http://archiv.ivz-aktuell.de/index4.php?id=619&pageno=2






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Foto Seite oben - Zeichnung von August Dorfmüller - Ibbenbüren 1844



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Breite Straße 9 - 49477 Ibbenbüren
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Aktualisiert/Update 16.05.2018
www.stadtmuseum-ibbenbueren.de
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